Der Mann, der die Künstlichkeit kultivierte

David Bowie ist gestorben

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David Bowie ist gestern an Krebs gestorben - zwei Tage nach seinem 69. Geburtstag. Das meldete heute das Facebook-Profil des Musikers. Bowies Sohn Duncan Jones bestätigte diese Meldung auf Twitter.

Bowie, der mit bürgerlichen Namen David Jones hieß, begann seine musikalische Karriere 1967 mit einem Folk-Rock-geprägten Album, das noch wenig von seinen späteren Entwicklungen erahnen lässt. Anders als viele seiner Zeitgenossen gab er sich danach nicht der Natursehnsucht hin, und ließ sich Haare und Bart wachsen, sondern kultivierte die Künstlichkeit - unter anderem mit Science-Fiction-Ästhetik, wie 1969 im Videoclip zu Space Oddity (das aber erst Jahre später ein Chart-Hit wurde).

Life on Mars

Auch sein 1970 erschienenes Gitarrenrockalbum The Man Who Sold the World brachte den großen Erfolg noch nicht. 1971 folgte mit der LP Hunky Dory sein erstes Meisterwerk, auf dem sich unter anderem die Stücke Life on Mars, Song for Bob Dylan und Changes finden.

Die oft pianolastigen Songs, an denen der Art-Rock-Keyboarder Rick Wakeman großen Anteil hatte, waren im Nachhinein gesehen deutlich haltbarer als der Glamrock der Ziggy-Stardust-Phase, mit dem Bowie 1972 der Durchbruch gelang. Dieser Glamrock bestimmt auch die Alben Aladdin Sane (gesprochen: "a lad insane" oder "all led insane"), Pin Ups (das Coverversionen von Stücken der Who, der Yardbirds, der Kinks und anderer Bands der 1960er Jahre enthält) und Diamond Dogs (mit Rebel Rebel).

Young Americans

1975 erfand er "Plasticsoul": Das Stück Young Americans, das er für das gleichnamige Album aufnahm, zählt textlich wie musikalisch zu seinen besten. Die Science-Fiction-Ästhetik, mit der er nicht nur in seiner Musik-Konzeptkunst, sondern auch im Film Der Mann der vom Himmel fiel gearbeitet hatte, gab er zugunsten von Anleihen an das das Zeitalter des Art Déco auf, in deren Folge er auch eine Faszination für das Deutschland der 1920er und 1930er Jahre entwickelte und als "Thin White Duke" im schwarzen Ledermantel stehend in der offenen Limousine durch Los Angeles fuhr. Der 1978 gedrehte Film Schöner Gigolo, armer Gigolo, in dem er eine Figur im Berlin der 1920er Jahre mimt, ist allerdings recht langweilig. Das gilt auch für die zahlreichen Filme, in denen er später noch mitspielte - selbst dann, wenn Nagisa Oshima Regie führte.

Sound and Vision (Fanvideo)

1976 zog Bowie zusammen mit James Osterberg alias Iggy Pop in die damalige "Frontstadt" Berlin, wo er mit dem Roxy-Music-Elektroniker Brian Eno die Alben Low, Heroes und Lodger produzierte. Low, das beste dieser drei Alben, enthält neben dem Hit Sound and Vision auch das Stück Warszawa, nach dem Peter Hook und Bernard Sumner eine Band benannten, die später als Joy Division bekannt wurde. Heroes birgt den Elektronik-Klassiker V-2 Schneider und ein teilweise auf Deutsch gesungenenes Titelstück, das man für den Soundtrack zum Film Wir Kinder vom Bahnhof Zoo verwendete, der die Heroinpubertät der späteren Einstürzende-Neubauten-Gitarristenfreundin Christiane Feltscherinow zum Inhalt hat.

Space Oddity (1969)

Mit Scary Monsters betätigte sich Bowie ein letztes Mal als musikalischer Visionär und lieferte eine Blaupause für Visage und andere New-Romantic-Projekte. Im Titelsong nimmt er auf den Astronauten Major Tom aus Space Oddity Bezug und "beerdigt" ihn mit den Worten: "Ashes to ashes, funk to funky, we know Major Tom's a junkie, strung out in heaven's high, hitting an all-time low".

Seine zusammen mit Queen 1981 veröffentlichte Single Under Pressure und sein 1983 erschienenes Album Let's Dance verkauften sich zwar ausgesprochen gut, lieferten aber wenig Neues und Überraschendes. Das blieb bis zum Ende seiner Karriere so, auch wenn danach noch elf Alben erschienen. Das letzte davon ist Blackstar, das am Freitag herauskam.

[Update:Reinhard Jellen merkt an, dass David Bowie 1966 ein Mod war und mit seiner damaligen Band "ein im Vergleich zu den Who und den Small Faces wirklich ausgezeichnetes Lied aufnahm": And I Say To Myself.]

David Bowie with The Lower Third - And I Say To Myself (1966)

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