Vorsicht Rot: Mit "Beware" wird die Polizei vor riskanten Personen und Orten gewarnt

Die Polizei von Fresno testet ein Programm, das das Internet und andere Quellen durchsucht, um für Einsätze vorab in einem Farbcode eine Bedrohungseinschätzung zu erstellen

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Die Polizei in Fresno, mit einer halben Million Einwohnern die fünftgrößte Stadt Kaliforniens, testet ein neues Programm für 36.000 US-Dollar jährlich, mit dem erkannt werden soll, ob ein Verdächtiger zur Gewalt neigt oder ob an einem Ort mit Gefahr gerechnet werden muss. Das Programm mit dem Namen Beware stammt von der Firma Intrado und wurde in Fresno letztes Jahr eingeführt, um die Polizisten und andere Hilfskräfte, die aufgrund eines Notrufs (9-1-1) zu einem Einsatz fahren, mittels einer Bedrohungseinstufung, die von rot über gelb bis zu grün reicht, auf das vorzubereiten, was sie möglicherweise an einer Adresse erwartet. Abrufen lässt sich die Bedrohungseinschätzung mit allen Browsern auf allen mobilen und stationären, mit dem Internet verbundenen Geräten.

Das Besondere an dem Programm ist, dass möglichst viele Daten aus offenen und kommerziellen Quellen über eine Person auf der Grundlage des Intelligent Data Portal von Motorola gesammelt und ausgewertet werden. Das ist eine cloud-basierte Anwendung, die Informationen aus Datenbanken sammelt und sie in interaktiven Karten in Echtzeit integriert, um den Aufenthaltsort und die Umgebung von Menschen zu zeigen. Mit Daten von Sensoren, Überwachungskameras und "anderen Ereignissen", sollen damit Warnungen vor sich eskalierenden Situationen ermöglicht werden. Beware ergänzt dies mit weiteren Informationen über eine Person und deren Freunde und Bekannte. Täglich gegen bei der Polizei 1200 Notrufe ein.

In Sekunden würden von Beware "Milliarden von Einträgen" durchsucht und bewertet werden, heißt es bei dem Anbieter. Nach Medienberichten werden Postings auf Sozialen Netzwerken und Kommentare in Online-Foren ebenso untersucht wie Eingaben in Suchmaschinen, Informationen zur kriminellen Geschichte und andere Suchergebnissen über Menschen, Orte und Gebäude, beispielsweise wer in einem Gebäude lebt, welche Telefonnummern dort bekannt und welche Fahrzeuge gemeldet sind. Erfasst werden angeblich die Online-Spiele, die man spielt, aber auch Online-Käufe wie Pizza-Bestellungen. Daraus werden dann automatisch Profile abgeleitet. Wird irgendeine Äußerung online gefunden, die für die Aggressivität einer Person spricht, trägt dies zum Risikoprofil bei, wie Intrado-Präsident erklärt: "Alle Äußerungen, die als offensiv gelten können, tragen zum Bedrohungsscore bei."

Unklar bleibt, wie Äußerungen und anderes bewertet werden, das ist Geschäftsgeheimnis. Erhalten die zu einem Einsatz fahrenden Polizisten eine Warnung, dass die Person gefährlich sein könnte, werden sie vielleicht besser geschützt, während sie vermutlich noch schneller als üblich geneigt sein werden, selbst zur Gewalt zu greifen oder eine Schusswaffe zu benutzen. Der Polizeichef von Fresno rechtfertigt die Nutzung des Programms, das sich bereits seit einem Jahr im Test befindet, da von den Polizisten erwartet werde, "das Unbekannte zu wissen und das Nichtgesehene zu sehen. Sie treffen in Sekundenbruchteilen Entscheidungen aufgrund begrenzter Information. Je mehr wie ihnen im Hinblick auf Information geben können, desto sicherer können wir auf Notrufe reagieren."

Die Washington Post durfte einen Blick in das "futuristische" Real Time Crime Center der Polizei von Fresno werfen, wo neben anderen Überwachungsprogrammen auch Beware zum Einsatz kommt. Wie die Zeitung schreibt, werden von der Polizei im ganzen Land seit 11/9 viele Überwachungsprogramme und -techniken eingesetzt, von denen die Bürger oft nichts wissen. Im Fresno Crime Center, das weitgehend mit Privatspenden eingerichtet wurde, arbeiteten an diesem Tag 5 Angestellte an 57 Monitoren, mit denen sie die 200 Überwachungskameras, aber auch bei Bedarf die Bilder von Verkehrs- und Schulkameras einsehen können.

Bald sollen sie auch Zugriff auf 400 BodyCams der Polizisten und auf weitere tausende Überwachungskameras von Firmen und Geschäften haben. Dazu gibt es das System Shot Spotter, mit dem in der ganzen Stadt durch Mikrofone lokalisiert werden kann, wenn Schusswaffen abgefeuert werden. Das Programm Media Sonar durchwühlt Soziale Netzwerke nach illegalen Aktivitäten, auch um Personen oder Gangs zu beobachten oder Bedrohungen von Schulen auszumachen.

Das umstrittenste Programm sei jedoch Beware, das allerdings weiter dazu führt, dass die Polizisten von Big Data überflutet werden und der Bedarf an intelligenten Programmen entsprechend wächst, um die Informationen zusammenzuführen und zu bewerten. Als Beispiel gibt Intrado an, dass Beware beispielsweise darauf hinweisen könnte, dass an einer Adresse ein Ex-Soldat lebt, der an PTSD leidet und beunruhigende Äußerungen über seine Kriegserfahrungen verbreitet. Kritikern sagt man, das Programm gebe nur Hinweise an die Polizisten und keine Ratschläge. Bei einem Test des republikanischen Stadtrats Clinton Olivier wurde dieser von Beware zwar mit grün bewertet, aber sein Haus mit gelb, vermutlich wegen einer Person, die früher einmal dort wohnte, meinte der Polizeichef. Er will nach Debatten im Stadtrat und Bedenken von Bürgern auch das Programm von Intrado ändern lassen. Der Farbcode zur Bewertung soll aufgegeben werden, vielleicht auch die Durchsuchung der Sozialen Netzwerke.