Erwin Schrödingers Sternstunde

Der Begründer der Wellenmechanik hat auch hochinteressante Beträge zur Kosmologie geleistet. Sie sind bis heute weitgehend unbekannt

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Der Nobelpreisträger von 1933 ist heute ganz überwiegend für seinen entscheidenden Beitrag zur Quantenmechanik bekannt, die nach ihm benannte Wellengleichung. Er fand sie 1925 während eines Skiurlaubs in Arosa, den er mit einer bis heute unbekannten Geliebten verbrachte.

Im gleichen Jahr hatte er allerdings auch einen Artikel über Kosmologie1 veröffentlicht, der eine enge Querverbindung zu Einsteins Idee der variablen Lichtgeschwindigkeit aus dem Jahr 1911 aufweist (Einsteins verlorener Schlüssel). Gesprochen haben die beiden darüber nie, und leider sind Schrödingers Gedanken zur zur Kosmologie praktisch in Vergessenheit geraten. Er war der erste, der einen Zusammenhang zwischen der Ausdehnung des Universums Ru, seiner Masse Mu und der Gravitationskonstante G Koinzidenz vermutet hat:

Und das zu einer Zeit, in der noch niemand die Größe des Universums kannte!

Dieser Zusammenhang ist heute als "Flachheit" bekannt, und wird in der gegenwärtigen Physik mit zum Teil absonderlichen Theorien wie der "Inflation" in Verbindung gebracht (Kosmische Inflation der Wissenschaftspreise). Die Ursache dieser Übereinstimmung ist bis heute unbekannt, obwohl sie einen starken Hinweis darstellt, dass die Ursache der Gravitation mit der Existenz der Massen im Universum verknüpft ist. Dies ist der Inhalt des nach dem Wiener Physiker und Philosophen Ernst Mach benannten Prinzips (Einsteins verlorener Schlüssel). Mach hatte es jedoch nicht quantitativ formuliert.

Erwin Schrödinger. Bild: Nobel-Stiftung/gemeinfrei

Schrödinger erkannte den Zusammenhang, der zunächst nur numerisch schien, weil er sah, dass in der Formel der Begriff des Gravitationspotenzials φ versteckt war. Potenzial ist einfach Energie pro Masse, und Newton hatte in seiner Gravitationstheorie dafür den Ausdruck

hergeleitet, wenn sich eine Masse im Abstand r zur Sonne (mit der Masse M) befindet.2

Der Einfluss des Universums

Man muss sich für einen Moment den Unterschied zu Newtons bekannter Formel für die Gravitationskraft

klarmachen (m ist eine kleine Testmasse), wo im Nenner der Abstand r ins Quadrat vorkommt. Dies führt dazu, dass die Anziehungskraft für weit entfernte Himmelskörper sehr stark abnimmt, und daher spürt man beispielsweise auf der Erde die Gravitationskraft der Sonne kaum (abgesehen von dem Effekt der Gezeiten, zu dem sie beiträgt).

Ganz anders verhält es sich mit dem Gravitationspotenzial φ: Der Wert des Potenzials der Sonne, in dem wir uns befinden, übersteigt den Einfluss der Erde um das zehnfache, was man leicht sieht, wenn man die jeweiligen Quotienten M/r (Masse durch Abstand) betrachtet.

Dies hatte auch Schrödinger bemerkt. Es erschien ihm logisch, dass der Einfluss noch weiter entfernter Massen in der Milchstraße, obwohl als Kraft nicht wahrnehmbar, noch größer sein musste, und versuchte, ihn abzuschätzen. Dabei fiel ihm offenbar auch auf, dass das Gravitationspotenzial die gleiche Einheit besaß wie das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit, c2, und er vermutete mit erstaunlicher Intuition, dass das gesamte Universum einen gleich großen Einfluss haben könnte. Schrödinger schrieb (S. 331):

Diese merkwürdige Beziehung sagt aus, daß das (negative) Potential aller Massen auf den Beobachtungsort, berechnet mit der am Beobachtungsort gültigen Gravitationskonstante, dem halben Quadrat der Lichtgeschwindigkeit gleich sein soll.

Erwin Schrödinger

Dabei bemerkte er trotz der damals rudimentären Daten der Astronomie, dass dieser Zusammenhang auf ein Universum hindeutet, das viel größer sein musste, als damals bekannt war (S. 332):

Es kann somit nur ein ganz verschwindender Bruchteil der auf der Erde und im Planetensystem beobachteten Trägheitswirkungen von der Wechselwirkung mit den Massen unseres Milchstraßensystems herrühren.

Erwin Schrödinger

In gewisser Weise hat Schrödinger damit die Entdeckung von der Größe des Kosmos in den 1930er Jahren durch Edwin Hubble vorweggenommen. Schrödinger forderte außerdem, dass das Machsche Prinzip in die Relativitätstheorie Eingang finden müsse. In dieser Hinsicht war Schrödinger weitblickender als Einstein. Umso erstaunlicher ist es, dass Schrödingers Beschäftigung mit der Kosmologie, wie auch Einsteins Idee zur variablen Lichtgeschwindigkeit, unter Physikern so wenig bekannt ist.

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