Gute Ausländer, böse Ausländer

Wie die Bundestagsparteien versuchen, auf die Ereignisse in Köln in der Silvesternacht zu reagieren

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Gastrecht, Ausländerkriminalität, Abschiebungen - die heutige Bundestagsdebatte über die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln waren von bekannten Schlagworten bestimmt. Vor allem die Vertreter der Regierungskoalition mussten dabei eine Gratwanderung meistern: Auf der einen Seite verteidigten sie die rasche Verschärfung von Gesetzen - was von der Opposition als unnützer bis gefährlicher Aktivismus abgelehnt wird -, auf der anderen Seite versicherten sie, diese Maßnahmen richteten sich nicht gegen alle in Deutschland lebenden Ausländer. Aber auch die Opposition war in der Argumentation gespalten. Besonders deutlich zeigte sich das bei den Linken, bei denen am Vortag bei der Fraktionssitzung Äußerungen ihrer Vorsitzenden Sahra Wagenknecht auf heftige Kritik gestoßen waren. Sie hatte den Köln-Skandal zu Wochenbeginn mit den Worten "Wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht verwirkt" kommentiert. Ihre Genossinnen und Genossen wiesen diese Position einen Tag später entschieden zurück, um auf das geltende Asylrecht zu verweisen.

Unmittelbar nach Jahreswechsel war bekannt geworden, dass mehrere hundert Männer auf dem Platz zwischen dem Kölner Hauptbahnhof und dem Dom zahlreiche Frauen bedrängt, sexuell belästigt und beraubt hatten. Viele der Täter seien alkoholisiert gewesen. Weil sich unter den Verdächtigen "fast ausschließlich Menschen mit Migrationshintergrund" aus dem arabischen und nordafrikanischen Raum (NWR-Innenminister Ralf Jäger) befunden haben sollen, streben die Koalitionsparteien, Union und SPD, nun eine Verschärfung des Ausweisungsrechtes an. Zudem soll das Sexualstrafrecht novelliert werden.

Diese Linie verteidigte Justizminister Heiko Maas am Mittwochnachmittag in der Bundestagsdebatte. Der SPD-Politiker legte den Schwerpunkt auf die beabsichtigte generelle Verschärfung des Sexualstrafrechtes. Er sei aber auch dafür, ausländische Täter bei bestimmten Delikten schneller abzuschieben, fügte er an. Deutlicher wurde der Staatssekretär im Innenministerium, Ole Schröder (CDU). "Wenn sie hier schwere Straftaten begehen, haben sie hier nichts zu suchen", sagte er mit Blick auf straffällig gewordene Ausländer, um "schnellere Verfahren und härtere Strafen" zu fordern. Maas und Schröder betonten aber auch, dass sich die Mehrheit der in Deutschland lebenden Ausländer gesetzeskonform verhalte.

Opposition weist auf generellere Probleme hin

Die Linkspartei-Abgeordnete Katja Kipping wies nach den Übergriffen von Köln die exklusive Schuldzuweisungen an Ausländer zurück. Sexismus sei schließlich in jeder Gesellschaft vorzufinden, so Kipping. Daher müsse Gewalt gegen Frauen unabhängig vom sozialen Hintergrund oder von der Herkunft der Täter härter geahndet werden.

In der Debatte zu den sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht sprach Kipping den betroffenen Frauen ihr Mitgefühl aus: "Sexuelle Belästigung ist keine Lappalie. Diese gilt es überall zu bekämpfen", sagte sie. Sexualisierte Gewalt müsse aber auch dann thematisiert werden, wenn die Täter nicht die vermeintlich Fremden seien. Die Unterdrückung von Frauen sei Bestandteil aller Kulturen, auch in westlichen Staaten. Sie warnte davor, die Anliegen von Frauen für rassistische Hetze zu instrumentalisieren. Stattdessen seien etwa mehr staatliche Gelder für Frauenhäuser notwendig. Ein Großteil der Sexualdelikte werde ohnehin zu Hause, also im familiären Umfeld, begangen.

Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warnte vor einem Schnellschuss bei der Änderung von Gesetzen und einer Vorverurteilung von Flüchtlingen. In Köln habe es "schlicht und ergreifend an Polizei" gefehlt, sagte sie. Göring-Eckardt warf Justizminister Maas zugleich vor, er habe eine im vergangenen Jahr von den Grünen eingebrachte Verschärfung des Sexualstrafrechts damals als unnötig bezeichnet.

Auch warnte sie davor, die geplanten schnelleren Abschiebungen als Allheilmittel zu betrachten. Vielfach könnten die Täter gar nicht in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Eine Lösung der bestehenden Probleme könne daher nur über eine verbesserte Integration erreicht werden. Kanzlerin Angela Merkel habe "Zuversicht, aber zu wenig Plan", hatte sie zuvor schon angemerkt: "Solange die Regierung kein umfassendes Integrationskonzept vorlegt, erleben wir dieselben Versäumnisse wie vor 50 Jahren."

CDU fordert Untersuchungsausschuss, Linke kritisiert Vorsitzende

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) musste heute gleich mehrfach Rede und Antwort stehen. Zunächst trat er im Innenausschuss des Bundestages auf, um dann im Plenum zu sprechen. Dabei verteidigte der selbst politische angeschlagene Landesminister die in der Silvesternacht eingesetzten Polizisten. "Die, die da waren, haben alles gegeben, aber es waren zu wenige", so Jäger, der die Fehler vor allem bei der Einsatzleitung sieht. Dort sei die Lage in der Neujahrsnacht vor dem Kölner Hauptbahnhof offensichtlich falsch eingeschätzt worden.

Ob er selber Fehler gemacht habe, wollte der SPD-Politik nicht direkt beantworten. Wohl auch deswegen sprach sich die CDU im Bundestag für einen Untersuchungsausschuss in Nordrhein-Westfalen zu den debattierten Ereignissen aus. Nach Ansicht von CDU-Innenpolitiker Armin Schuster kommt das Parlament in Düsseldorf um die Einrichtung eines solchen Gremiums nicht mehr herum. Bislang gebe es in NRW offenbar eine politisch motivierte Kultur der Verharmlosung von Ausländerkriminalität, so Schuster weiter, auch bei Abschiebungen sei die Regierung des bevölkerungsreichsten Bundeslandes zögerlich.

Eine ähnliche Debatte hatte es bei der Linksfraktion gegeben, allerdings intern. Auslöser war eine Äußerung der Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht bei der Pressekonferenz (ab 13:09 min) zum Auftakt der ersten Sitzungswoche im neuen Jahr.

"Wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht verwirkt", sagte die ehemalige Frontfrau der Kommunistischen Plattform - um damit eine kleine Protestwelle in Fraktion und Partei loszutreten. Nach einer regen Debatte in der Fraktionssitzung verabschiedeten die Abgeordneten ein Positionspapier mit acht Punkten, in dem betont wird, die Linke sei "die einzige Fraktion, die alle Asylrechtsverschärfungen konsequent abgelehnt hat und weiterhin ablehnt".

Allerdings sei das Prinzip des Rechtsstaats nicht verhandelbar. "Straftaten müssen für alle Menschen die gleichen Rechtsfolgen - unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung, Äußerem oder Herkunft - haben", heißt es in dem Papier. Nach den Ereignissen von Köln setze sich die Linke zudem "gegen rassistische Stigmatisierung" ein.