Parteielite findet sich mit Trump ab

Viele republikanische Politiker ziehen den exzentrisch frisierten Milliardär dem derzeit zweitplatzierten Ted Cruz vor

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Der Washington Post zufolge haben sich immer größeren Teile der republikanischen Parteielite damit abgefunden, dass Donald Trump bei den meisten Vorwahlen siegen und danach Präsidentschaftskandidat werden könnte. Das hat der Zeitung nach nicht nur damit zu tun, dass die nacheinander vom Establishment umarmten Kandidaten Jeb Bush, Carly Fiorina, Chris Christie und Marco Rubio weitgehend erfolglos blieben, während sich der anfangs von den Mainstream-Medien nicht ernst genommene Kandidat seit mittlerweile über einem halben Jahr Vorwahlkampf an der Spitze der Umfragen hält, sondern auch mit dem derzeit Zweitplatzierten Ted Cruz.

Tatsächlich äußerten sich in den letzten Tagen mehrere bekannte Republikaner öffentlich positiv über Trump. Tim Pawlenty, der ehemalige Gouverneur von Minnesota, meinte, dass sich eine Menge Republikaner, die vor Kurzem noch gegen Trump waren, inzwischen mit ihm als möglichen Endkandidaten abgefunden haben. "Obwohl er", so Pawlenty, "ein Milliardär aus New York ist, klingt und wirkt er wie jemand, den man im Herzen Amerikas treffen würde und der wegen des Zustands der Regierung und der Wirtschaft angefressen ist und den Eindruck vermittelt, er werde tatsächlich etwas dagegen tun."

Der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani sagte der Washington Post, er unterstütze Trump zwar nicht, würde aber für ihn stimmen, wenn er nur die Vorwahl zwischen ihm und Cruz hätte, weil die Republikaner mit dem Milliardär als Kandidaten bei der eigentlich Wahl im November seiner Meinung nach bessere Siegchancen haben. Das, so Giuliani, sähen "eine Menge Republikaner so". Sie befürchten anscheinend, dass Cruz trotz seiner genauen Kenntnis der Simpsons oder einem recht souveränen Auftritt bei Steven Colbert auf ungebundene und unentschiedene Wähler zu religiös und zu ländlich wirkt, während Trump (dessen Haltung zu Fragen wie dem Freihandel, der Gesundheitsfürsorge und der Außenpolitik von republikanischen Dogmen abweicht) gerade bei solchen Wählern gut ankommen würde (vgl. Was will Trump? und Trump will Reiche stärker besteuern).

Ted Cruz' Simpsons-Vorsprechen

Der ehemalige Senatsmehrheitsführer und Präsidentschaftskandidat Bob Dole, der Trump Cruz ebenfalls vorzieht, prophezeite seiner Partei in der New York Times für den Fall, dass sie mit dem Texaner antritt, "katastrophale" Verluste. Noch etwas deutlicher wurde der New Yorker Abgeordnete Peter King, der meinte, Trump sei - anders als Cruz - wenigstens nicht "boshaft" und "pragmatisch genug, um Sachen auf die Reihe zu bekommen".

Die Ursache für solche schroffen Worte liegt nicht nur darin, dass der Tea-Party-Texaner Trump unlängst mit dem Vorwurf angriff, er habe "New Yorker Werte", sondern auch an der Prinzipientreue, mit der Cruz in seinen drei Jahren im Senat der Parteielite Kopfzerbrechen bereitete. Dass er sich nicht auf Parteilinie bringen lässt, zeigte er unter anderem bei den Haushaltsverhandlungen, wo er einen vom damaligen republikanischen Mehrheitsführer Mitch McConnell ausgehandelten Kompromiss als "lausig" verdammte" und vor "Konsequenzen" warnte. Später brach er ein politisches Tabu, indem er ihn in einer Senatsrede offen als Lügner bezeichnete.

Die Feinde in der republikanischen Partei, die sich Cruz damit machte, hat Trump nicht. Das liegt dem republikanischen Parteistrategen Alex Castellanos zufolge auch daran, dass der Quereinsteiger flexibel ist als Cruz - für ihn ist alles ein "Deal". Deshalb glaubt Castellanos, dass der Mann, dessen Vorfahren aus der Pfalz und aus Schottland kommen, problemlos umstrittene Positionen aufgeben könnte, wenn er damit die Vorwahlen gewonnen hat und es darum geht, einen Demokraten zu schlagen.

Inzwischen gibt es - anders als im Sommer und Herbst - nur noch wenige Republikaner, die sich entschieden gegen Trump aussprechen - zum Beispiel den Außenpolitikfalken Lindsey Graham, der immer noch den Einmarsch in den Irak rechtfertigt, oder Yuval Levin, der im aktuellen National Review fürchtet, dass Trump mit staatlichen Großprojekten wie der Mauer zu Mexiko zu viel Steuergeld ausgeben könnte.

Cruz nutzt diese relativ neue Situation in seinem Wahlkampf: In New Hampshire verkündete er diese Woche in einer Rede, das Establishment verkaufe jetzt seine Rubio-Aktien und investiere in Trump, weil es glaube, dass der liefern wird, was die Parteielite sich wünscht. Trump dagegen betonte in Las Vegas seine Fähigkeit, "Deals" zu schließen und damit "Sachen zu erledigen" - dass liege auch daran, dass ihn Leute mögen und daran sei "nichts falsch".

Auch bei den Demokraten gibt es einen Trend gegen das Establishment

Der Wunsch nach einem Kandidaten, der nicht aus der etablierten Parteienhierarchie kommt, zeigt sich auch bei den demokratischen Vorwählern: Hier nahm der Anteil derer, die den parteilosen Bernie Sanders der Ex-Außenministerin und Ex-Präsidentengattin Hillary Clinton vorziehen, im letzten Monat um 11 Punkte zu. In Iowa, wo am 1. Februar die ersten Vorwahlen stattfinden, führt Sanders in einer CNN-Umfrage inzwischen mit 51 zu 43 Prozent vor Clinton. In New Hampshire, dem Bundesstaat, der am 8. Februar als zweiter daran ist, liegt er bereits seit dem Sommer vorne (vgl. New Hampshire: Bernie Sanders vor Hillary Clinton) - aktuell mit 66 zu 33 Prozent.

Gewinnt Sanders diese beiden Wahlen, dann könnte das auch Demokraten in anderen Bundesstaaten (in denen Clinton führt) den Eindruck vermitteln, dass er eine echte Siegchance hat, obwohl er mit spürbaren Steuern und echten Regeln für die Wall Street und dem Versprechen einer Einheitskrankenkasse nach kanadischem Vorbild Positionen vertritt, die in den beiden großen Parteien lange nicht mehr auf den Tablett waren. Der ehemalige stellvertretende Focus-Chefredakteur Stephan Paetow hält den häufig ähnlich exzentrisch wie Trump frisierten Sanders deshalb für "genau de[n] Mann, der der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands fehlt":

Kämpferisch. Schlagfertig. Selbstbewusst. Ein ganz klein wenig Willy Brandt, ein Hauch Helmut Schmidt, ja, auch zwei, drei Scheiben Herbert Wehner. Tränen hätten sie in den Augen, die verbliebenen echten Sozialdemokraten, wäre Bernie Sanders ihr Mann, an Stelle der mediokren Typen Gabriel, Fahimi, Stegner und Maas, denen Intellekt wie Stallgeruch so komplett fehlen. Aber Bernie ist nicht ihr Mann. [Für ihn ist] das ganze politische System [...] korrupt und krank: Eine Handvoll Milliardäre steuert das Land und seine Abgeordneten und ruinieren Mittelklasse und Unterschicht.

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