Deutschland: Mit Steuern gegen skandalöse Ungleichheit?

Luftbild der Villa Hügel, das ehemalige Wohnhaus der Krupp-Familie in Essen. Bild: Dr.G.Schmitz/CC BY-SA 3.0

Zehn Prozent der Haushalte verfügen über mehr als die Hälfte des Nettovermögens. Vertreter der Linken und der Gewerkschaften fordern eine andere Steuerpolitik

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die aufklappende Schere zwischen Arm und Reich ist wieder in den Nachrichten. Nachdem die Hilfsorganisation Oxfam vergangene Woche das weltweite Aufklappen mit einer beeindruckenden Gegenüberstellung veranschaulichte - dass nämlich gerade einmal 62 Menschen so viel besitzen wie die gesamte ärmere Hälfte der Menschheit, 3,6 Milliarden Menschen (Oxfam: Die Ungleichheit nimmt weltweit explosiv zu), berichtet nun die Passauer Neue Presse vom Auseinanderklaffen der Scherenhebel in Deutschland.

Ungleichheit hat zwischen1998 und 2013 deutlich zugenommen

Auch für die hiesigen Verhältnisse wird konstatiert, dass die Ungleichheit bei der Verteilung des Vermögens zugenommen habe, und zwar deutlich. Zehn Prozent der Haushalte verfügten 2013 über 51,9 Prozent des Nettovermögens, lautet die Feststellung, die sich auf Angaben des Bundessozialministeriums beruft.

Als Anhaltspunkt für die Entwicklung der letzten Jahre wird herangezogen, dass die Verhältnisse 1998 noch anders aussahen. Damals besaßen die vermögendsten zehn Prozent der Deutschen nur 45,1 Prozent. Der oben genannte Wert von 2013 ist allerdings nicht der Spitzenwert: Im Jahr 2008 vereinigten die oberen zehn Prozent nämlich 52,9 Prozent des Nettovermögens.

Für die "unteren 50 Prozent der Haushalte" wird angegeben, dass sie 1998 noch über 2,9 Prozent des Nettovermögens verfügten und 2013 nur mehr über 1 Prozent. 2003 waren es noch 2,6 Prozent. Fünf Jahre später, 2008, nur mehr 1,2 Prozent.

Grundlage: Einkommens- und Verbrauchsstichprobe

Laut Angaben der Passauer Neuen Presse sollen die Zahlen des Bundessozialministeriums "in den Fünften Armuts- und Reichtumsbericht eingehen". Er soll noch in diesem Jahr vorgelegt werden. Die Daten­grundlage für die Armuts- und Reichtums­berichterstattung der Bundes­regierung basiert auf einer alle fünf Jahre erhobenen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), befragt werden rund 60 000 private Haushalte.

Die Maßgabe, das Nettovermögen, ergibt sich laut Definition aus der Differenz zwischen Geld- und Immobilienvermögen, Betriebsvermögen sowie Sachvermögen (Wertgegenstände, Kunst, Schmuck, usf) und Schulden und Verbindlichkeiten.

Das Statistische Bundesamt bemerkt zur EVS, dass die Ergebnisse auf Grund der großen Zahl der befragten Haushalte und der Vielzahl der bei der Aufbereitung durchgeführten Plausibilitäts­kontrollen "ein hohes Maß an Genauig­keit und Verläss­lichkeit" aufweisen.

Kritiker der eingangs genannten Oxfam-Studie machen demgegenüber geltend, "dass die Methode mit dem 'Nettovermögen' problematisch" sei, wie die FAZ berichtete. Allerdings räumten sie ein, dass die riesige Vermögenskonzentration ein Fakt sei.

DGB: Kapitaleinkünfte wie Einkommen besteuern

Der politisch brenzlige Punkt liegt an den Forderungen, die mit dem Befund der ungleichen Verhältnisse wieder auftauchen, nämlich Steuererhöhungen für die Wohlhabenden. In den letzten Jahrzehnten ist es wirtschaftsliberalen Ideologen und Lobbyisten gelungen, das Thema aus der Öffentlichkeit zu drängen, indem sie pauschal Steuererhöhungen mit Gift für die Wirtschaft gleichzusetzen wie dies auch in Punkto Lohnerhöhungen gemacht wird.

Steuererhöhungen für Vermögende sind zum Tabuthema geworden. Besteuerung von Kapitaleinkünften und/oder Steuererhöhungen für die Vermögenden ("Reichensteuer") sind blinde Flecken in der öffentlichen Diskussion, die doch zuletzt bei anderen Themen immer mehr Offenheit forderte. Bei diesem Punkt hält sich die kritische Öffentlichkeit auffallend zurück und Politiker, die Interesse daran haben, an einer Regierung beteiligt zu werden, scheuen die Tretmine. Am Beispiel Frankreich war gut zu sehen, wie schnell die sozialdemokratische Regierung von ihrer anfänglichen Traute, nämlich Reichensteuer zu verlangen, zurückwich.

In Deutschland erhebt diese Forderung anlässlich der genannten Zahlen die Fraktionsvorsitzende der Linken, Sabine Zimmermann. Sie plädiert für eine "Millionärssteuer". Die erste Million des Vermögens sollte ihren Vorstellungen nach steuerfrei bleiben. Danach aber werde ein Steuersatz in Höhe von fünf Prozent erhoben.

Für ein privates Geld- beziehungsweise Immobilienvermögen von zwei Millionen Euro müssten demnach 50.000 Euro Steuern im Jahr bezahlt werden.

Auch vom DGB melden die Passauer Zeitung die Forderung nach einer anderen Steuerpolitik: Vorstandsmitglied Stefan Körzell schlägt vor, Kapitaleinkünfte wie "Einkommen aus eigener Hände Arbeit" zu versteuern.