Bricht Bloomberg das US-Parteiensystem auf?

Vorwahlen der Republikaner. Karte: Spartan7W. Lizenz: CC BY-SA 4.0.

Der Milliardär und New Yorker Ex-Bürgermeinster überlegt angeblich, ob er als unabhängiger Kandidat antritt, wenn die Republikaner für Trump oder Cruz und die Demokraten für Sanders stimmen

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Die New York Times will aus dem Umfeld des ehemaligen New Yorker Bürgermeisters Michael Bloomberg erfahren haben, dass der Milliardär derzeit überlegt, im November als unabhängiger Kandidat bei den US-Präsidentschaftswahlen anzutreten. Dazu soll er im Dezember eine Umfrage in Auftrag gegeben haben, mit der er herausfinden wollte, wie seine Chancen stehen, wenn die Wähler die Wahl zwischen Donald Trump, Hillary Clinton und ihm hätten. Nach dem Vorwahlen in Iowa und New Hampshire soll es eine weitere Umfrage geben. Im März, wenn in 19 bis 46 Bundesstaaten, Territorien und Botschaften gewählt wurde, will sich Bloomberg dann angeblich entscheiden.

Besonders gute Chancen für sich soll der Milliardär dann sehen, wenn sich die demokratischen Vorwähler mehrheitlich nicht für Hillary Clinton, sondern für Bernie Sanders entscheiden - und die republikanischen für Donald Trump oder Ted Cruz. Edward G. Rendell, der ehemalige Vorsitzende des Democratic National Committee und ehemalige Gouverneur von Pennsylvania sagte der Zeitung, in so einem Fall werde er nicht Sanders, sondern Bloomberg unterstützen.

Aber auch dann, wenn Hillary Clinton bei den Demokraten vorne liegt, ist den NYT-Informanten nach eine Bloomberg-Kandidatur nicht ausgeschlossen und hängt unter anderem davon ab, wie viele politische Zugeständnisse die Ex-Präsidentengattin ihrem Konkurrenten Sanders macht - zum Beispiel in der Bildungspolitik, wo Bloomberg für die Förderung von Privatschulen eintritt. In Clintons Wahlkampfteam kommentiert man das nicht offiziell - intern soll die Devise lauten, Bloomberg trete ohnehin nur dann an, wenn Sanders vorne liegt und deshalb müsse man alles tun, um das zu verhindern.

Donald Trump gab sich am Wochenende weniger zurückhaltend und verkündete in Iowa, er würde einen Wettbewerb mit Bloomberg begrüßen, weil der "in vielerlei Hinsicht" das Gegenteil von ihm sei. Als Beispiel nannte er das Waffenrecht, wo Bloomberg in der Vergangenheit für eine deutlich stärkere Kontrolle eintrat. Ein anderer Punkt wäre die Einwanderungspolitik. Relative Gemeinsamkeiten zwischen den beiden gibt es beim Vermögen: Trump behauptet schwer zu sein, Bloomberg wird auf 27 Milliarden Dollar geschätzt. Angeblich ist er bereit, eine Milliarde davon in den Wahlkampf zu investieren.

Ob Bloomberg als unabhängiger Kandidat mehr Wähler von den Demokraten oder den Republikanern abziehen würde, ist nicht klar: In der Vergangenheit gehörte er nacheinander beiden Parteien an, zuletzt war er bis 2007 Republikaner. Seine Haltung zur Abtreibung dürfte eher republikanische Wähler abschrecken, sein Eintreten für die Finanzindustrie eher demokratische. Dafür könnte er sich als Macher aus der Wirtschaft präsentieren, dem es in New York gelang, Demokraten und Republikaner an einen Tisch zu bringen und zu Kompromissen zu bewegen.

Vorwahlen der Demokraten. Karte: Lokal_Profil. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Der einzige parteilose Präsident der USA war bislang George Washington. Nach ihm bestand das Zwei-Parteien-System der USA zuerst aus der Federalist Party von John Adams und Alexander Hamilton auf der einen und der Democratic-Republican Party von Thomas Jefferson und James Madison auf der anderen Seite. Die Federalist Party stand für einen starken Zentralstaat, eine Zentralbank und außenpolitische Distanz zu Frankreich - die Democratic-Republican Party für das Gegenteil.

1828 ging das erste amerikanische Zwei-Parteien-System in das zweite über: Jetzt konkurrierte Andrew Jacksons Democratic Party, die damals sowohl für die Abschaffung der Zentralbank und Skepsis gegenüber der zunehmenden Macht großer Unternehmen als auch für die Vertreibung der fünf zivilisierten Indianerstämme aus den Südstaaten stand, gegen die Whig Party von Henry Clay, die für das Gegenteil eintrat (vgl. Oklahoma City stoppt Rap-Geschichtsunterricht).

1854 bildete sich das Zwei-Parteien-System aus Demokraten und Republikanern heraus, das die US-Politik bis heute bestimmt. Im Laufe der letzten 162 Jahre standen die Parteien allerdings für unterschiedliche Positionen: Die Republikaner waren unter Abraham Lincoln die Partei der Abschaffung der Sklaverei, unter Teddy Roosevelt die der Kontrolle der Kartelle und der großen Unternehmen und unter Ronald Reagan die der Steuersenkungen (in der Theorie, aber nicht unbedingt in der Praxis). Die Demokraten transformierten sich von der weißen Südstaatenpartei des 19. Jahrhunderts über die Sozialstaatsexperimente Franklin Delano Roosevelts hin zur heutigen Partei.

Dass sich die Parteien veränderten, lag auch daran, dass sie neu entstehende Bewegungen nicht zu Konkurrenten werden ließen, sondern in sich aufnahmen: Die abolitionistische Free Soil Party ging beispielsweise in den Republikanern auf, die Greenback Party, die für Papiergeld eintrat, in den Demokraten. Das trug entscheidend dazu bei, dass es keinem unabhängigen oder für eine dritte Partei antretenden Kandidaten gelang, Präsident zu werden - auch nicht dem texanischen IT-Milliardär Ross Perot, der 1992 auf knapp 19 Prozent Stimmenanteil kam, aber keinen einzigen Bundesstaat gewann.

Ob es Michael Bloomberg gelingt, das zu ändern ist fraglich. Gelingt es ihm, dann könnte es sein, dass er nicht der letzte unabhängige Präsident bleibt, sondern dass sich eine neue Tradition etabliert, in der ein unabhängiger Präsident zwischen zwei verfeindeten Parteien im Kongress nicht zuletzt deshalb moderieren kann, weil er selbst keiner dieser Parteien angehört.

Allerdings könnte das aktuelle Parteiensystem auch ohne sein Antreten an Macht verlieren: Sowohl Donald Trump als auch Ted Cruz (den die Parteielite noch mehr fürchtet als den exzentrisch frisierten Milliardär) entstammen nicht dem republikanischen Establishment - und Bernie Sanders gehört der demokratischen Partei, für die er kandidiert, nicht einmal an. Wird einer dieser Drei Präsident, könnte er möglicherweise noch unabhängiger agieren als ein Michael Bloomberg, von dem die beiden großen Parteien aus Erfahrung wissen, dass er von den Positionen, die sie als Mainstream etabliert haben, nicht abweicht.

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