Demotix: Graswurzel-Journalismus endet in chinesischen Händen

Die betroffenen Fotografen und Bürgerjournalisten haben keinerlei Information, was mit ihren Bildern geschehen wird

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Am Freitag saßen tausende freie Fotojournalisten ratlos vor ihren Computern. Sie wollten ihre Fotos auf das Portal Demotix hochladen, landeten aber bei Eingabe der Adresse demotix.com auf einer Seite von Corbis - corbisimages.com. Demotix, ein britisches Unternehmen, war einst im Januar 2009 als Portal für "die Freiheit des Wortes" ans Netz gegangen. Bürgerjournalisten konnten hier ihre Fotos, Videos aber auch Begleittexte veröffentlichen.

Nach dem Modell der etablierten Foto- und Nachrichtenagenturen wurden die Beiträge Medien angeboten und die unter Vertrag stehenden Urheber kamen an eine Beteiligung von fünfzig Prozent. Mit dem Modell der Bürgerreporter schaffte es Demotix, zahlreiche exklusive Stories zu bekommen. Das Portal wurde auch für Berufsfotografen interessant. Konnten diese doch hier das Material absetzen, was für feinere Agenturen zu schlecht oder auf den ersten Blick zu uninteressant, aber zum Löschen zu schade war. Amateurreporter profitierten hingegen von den lascheren Aufnahmebedingungen. Veröffentlicht wurde jedoch nur, was die Redaktion von Demotix passierte.

Die Honorare von Demotix machten im Vergleich zu anderen Agenturen nur einen Bruchteil dessen aus, was in der Profifotografie üblich ist. Dennoch freuten sich auch zahlreiche Profis über monatliche Taschengelder in dreistelliger Höhe.

Schon zu Anfang hatte Corbis einen Vertrag mit Demotix, welcher der von Bill Gates gegründeten Agentur das Recht gab, einzelne Fotos von Demotix auszuwählen. Zahlreiche Zeitschriften und Zeitungen, wie der Guardian oder Die Bild bedienten sich direkt bei Demotix. Dem Urheber blieb über diesen Vertriebsweg nur noch ein Erlös von 25 Prozent am Verkauf. Denn syndizierende Fotoagenturen geben immer nur das weiter, was sie ihren eigenen Fotografen gezahlt hätten.

Im Sommer 2011 wurde die Bindung von Demotix an Corbis enger. Es gab knapp ein Jahr später, Ende 2012, die komplette Übernahme des Bürgerjournalismusportals. Fortan schlugen sich die meisten Verkäufe bei Demotix über Corbis nieder

Am Freitag jedoch schloss Demotix ohne vorherige Ankündigung und genau in der Zeitspanne, in der die monatlichen Lizenzzahlungen für Urheber anfielen, die Webpräsenz. Der Twitteraccount von Demotix bat jedoch sogar noch nach der Schließung um Zulieferungen.

Die betroffenen Fotografen und Bürgerjournalisten haben keinerlei Information, was mit ihren Bildern geschehen wird. Diejenigen, welche Bilder über Demotix bei Corbis einstehen haben, können die betreffenden Fotografien noch auffinden. Der allein bei Demotix gespeicherte Content scheint dagegen verloren zu sein.

Corbis wurde von der Visual China Group aufgekauft. Bill Gates hat sich somit von seiner einstigen Vision, selbst den audiovisuellen Markt zu beherrschen, getrennt. Der Eintrag auf der Webseite von Corbis bestätigt dies. Doch bei allen Stellungnahmen im Netz werden Corbis und zahlreiche Tochterunternehmen wie Splash explizit erwähnt, zu Demotix findet sich jedoch keine Information. Tatsächlich geht Corbis sogar nur an eine Tochterfirma der Visual China Group, der Unity Glory über.

Der Verkauf von Corbis war selbst dem Time Magazine einen Eintrag wert. Dort, sowie in zahlreichen Pressemeldungen, ist zu sehen, was hinter dem Deal mit den Chinesen steckt. Getty, der Konkurrent von Corbis, wird außerhalb des chinesischen Raums die Lizenzierung der Bilderdatenbank übernehmen. "Fast 21 Jahre, aber wir haben es geschafft", schreibt Jonathan Klein, der Mitbegründer von Getty in seinem Twitteraccount. "Schön, dass wir die Milch, die Sahne, den Käse, den Joghurt und das Fleisch bekamen, ohne die Kuh zu kaufen."

Mit der Kuh sind offensichtlich all die gemeint, die ihre Urheberrechte an Fotos der Agentur Corbis oder ihren Tochterunternehmen zur Nutzung übergeben hatten. Wie dieser Personenkreis nun entlohnt werden soll, das werden die "Contributors", wie Getty sie nennt, in den nächsten Wochen erfahren. Ob die Anwerbung einiger Demotix-Contributoren durch Corbis, die in den letzten Wochen beobachtet wurde und die auch von zahlreichen erzürnten Fotografen erwähnt wird, mit dem Verkauf zusammenhängt, kann nicht beurteilt werden. Es könnte sich um einen Zufall handeln. Denn die verantwortlichen Corbis-Anwerber scheinen, so geht aus dem E-Mail-Verkehr mit ihnen hervor, selbst überrascht zu sein.