Zahl der "gewaltorientierten Rechtsextremisten" soll steigen

Sicherheitsexperten warnen, dass die Rechten mit der Nutzung Sozialer Netzwerke - ein "Nährboden für neue, schlagkräftige Organisationen" - handlungsfähiger würden

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Mit den Flüchtlingen wächst auch die Zahl der gewaltbereiten Menschen aus der rechtsextremen Szene, während allgemein in den flüchtlings- und ausländerfeindlichen Kreisen der "besorgten Bürger" die Aggressivität hoch ist. Nicht nur in Demonstrationen, sondern auch in den Bürgerwehren kommen dann die "besorgten Bürger" enger in Kontakt mit Rechtsextremen, Hooligans oder NPD-Anhängern.

Nach nicht näher benannten deutschen Sicherheitsbehörden ist, so berichtet der Tagesspiegel, die Zahl der "gewaltorientierten Rechtsextremisten" im Jahr 2015 um mehr als 1000 Personen auf 11.500 angewachsen. Es steige mit der "Hasspropaganda" der "Aggressionspegel", was man in allen Foren bemerken kann, und damit auch die Zahl rechter Straftaten. Sie sind in den ersten 11 Monaten 2015 auf 12.560 gestiegen, darunter 846 Gewalttaten, 40 Prozent mehr als im gesamten Jahr 2014.

Nach dem BKA gab es 2015 nach vorläufigen Zahlen 924 Straftaten alleine auf Flüchtlingsunterkünfte, aufgeklärt wurden nur 27 Prozent. 2014 waren es 199 Brandanschläge - auch schon viel, aber viermal weniger. Brandanschläge wurden 76 registriert, dazu kommen 11 versuchte Brandanschläge. Registriert wurden 347 Sachbeschädigungen, 186 Propagandadelikte und 104 Fälle von Volksverhetzung.

Allein im November 2015 gab es 1348 rechtsextremistische Straftaten

Auf eine Anfrage der Fraktion der Linkspartei zur Zahl der ausländerfeindlichen Delikte im November 2015 antwortete die Bundesregierung:

"Für den Monat November 2015 wurden bislang insgesamt 1 348 Straftaten gemeldet, die dem Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität-rechts" zugeordnet wurden. Darunter waren 87 Gewalttaten und 703 Propagandadelikte. 596 rechtsmotivierte Straftaten, darunter 104 Propagandadelikte und 63 Gewalttaten, wurden dem Themenfeld "Hasskriminalität" zugeordnet. Bei 530 Straftaten im Bereich PMK- rechts, darunter 88 Propagandadelikte und 62 Gewalttaten, konnte ein fremdenfeindlicher Hintergrund festgestellt werden."

Offenbar geht nun die Polizei auch entschiedener gegen rechte Kriminalität vor, allerdings kommt es kaum zu Haftbefehlen: "Zu den für den Monat November 2015 bislang erfassten 1 348 politisch rechts motivierten Straftaten wurden insgesamt 645 Tatverdächtige, davon 581 männlich, ermittelt. 32 männliche und eine weibliche Tatverdächtige wurden vorläufig festgenommen. Es wurde Haftbefehl gegen sieben männliche und eine weibliche Person erlassen."

Konstatiert wird, dass die rechtsextreme Szene allgemein wächst. So seien die Neo-Nazi-Parteien "Die Rechte" um 100 auf über 600 Mitglieder oder "Der III.Weg" um 50 auf 300 angewachsen. Vor allem aber scheint die NPD ("Deutschland muß das Land der Deutschen bleiben - Mit Sicherheit, Recht und Ordnung!") die Gunst der Stunde nutzen zu können und wieder zu wachsen. Um die 5.200 Mitglieder soll die Partei jetzt haben, die mit der ausländerfeindlichen, völkischen Propaganda und der schon in den 90er Jahren gepflegten Anti-Asyl-Kampagne auch "Normalbürger" mobilisieren könne. Die allerdings zieht es vornehmlich noch zur AfD, die nach Umfragen mit ihrer fast ausschließlich gegen Flüchtlinge und gegen Merkel gerichteten Politik und der Vernetzung mit Rechten und Rechtspopulisten wie Pegida schon mehr als 10 Prozent bundesweit erreichen könnten, wenn jetzt Bundestagswahlen wären.

Von der Argumentation unterscheiden sich AfD, Pegida oder NPD nur unwesentlich, allen ist gemeinsam, woran auch die CSU strickt, dass die Flüchtlingsfrage zum Schicksalsproblem hochstilisiert wird, alle anderen Probleme und Themen werden an den Rand gedrängt. Die Flüchtlinge, die zu Invasoren deklariert werden, werden in klassischer Manier zum Sündenbock, der geopfert werden muss, um die Gemeinschaft zu erlösen. Da hat sich in den Köpfen seit Jahrtausenden nichts geändert.

Schön etwa Ariane Meise, Mitglied des NPD-Parteivorstandes und stellvertretende Landesvorsitzende der NPD in Nordrhein-Westfalen, um nur ein Beispiel zu nehmen, die sagt, die Polizei in Köln würde "auf ihr Machtmonopol gegenüber der fremden Einwohnerschaft" in manchen Stadtteilen verzichten. Sie gäbe auch eine gute Verschwörungstheoretikerin ab: "Es dürfte kein Zufall sein, daß in der Silvesternacht gerade der Platz um den Kölner Dom, ein Wahrzeichen der Christenheit, für den Anschlag auf die einheimischen Frauen gewählt worden war. Schließlich ist er das zweitgrößte Kirchengebäude Europas, das es gegen die Fahne des Halbmondes zu verteidigen gilt." Es ist die Rede von "inländerfeindlichen Politik" und davon, dass "hunderttausende junge Männer deutsche Städte quasi beschlagnahmt" hätten.

Links- und Rechtsextreme schaukeln sich in Gewaltspirale hoch

Sicherheitsexperten würden warnen, so der Tagesspiegel, der diese aber nicht nennt, dass sich die rechte Szene in Sozialen Netzwerken als einem "Nährboden für neue, schlagkräftige Organisationen, die schwerer zu greifen sind", organisiert. Die Rede ist von einer "historischen Umorientierung". Die Rechtsextremen würden handlungsfähiger, die Terror- und Anschlagsgefahr wachse.

Da sich Links- und Rechtsextreme bei den zahllosen Demonstrationen für und gegen Flüchtlinge zunehmend gegenseitig hochschaukeln, dürfte auch die Zahl der Straftaten der Linksextremen zunehmen. Für Leipzig sagte Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke), dass 21 Prozent der insgesamt 940 Straftaten von rechter und linker Seite, die bundesweit im letzten Jahr bis Ende November im Zusammenhang mit Gida-Veranstaltungen stehen, in Leipzig begangen wurden. Bild spricht von Leipzig als der "Krawall-Hauptstadt". 255 Straftaten kämen bundesweit aus dem rechten Lager, 410 aus dem linken Lager.

Der Anstieg der Straftaten sei auf die Zunahme der Demonstrationen zurückzuführen, 688 waren es 2015 in Leipzig, 2014 waren es 555. In Leipzig randalierten erst Anfang Januar 250 vermummte Rechtsextreme während einer Legida-Demo im linken Stadtteil Connewitz, der als Hochburg der autonomen Szene gilt. Dort hatten linksextreme Gruppen im Dezember randaliert, Sachschaden angerichtet und Dutzende Polizisten verletzt. Anlass war eine Demo von 150 Anhängern der rechtsextremen "Offensive für Deutschland" und der Partei Die Rechte.

Dass der Aggressivitätspegel in Leipzig hoch liegt, belegt auch der aktuelle Streitatlas einer Rechtsschutzversicherung. Leipzig liegt hier bundesweit mit 29,9 Streitfällen auf 100 Einwohner an der Spitze, angeblich sind es meist junge Menschen, der Durchschnitt liegt bei 20. Köln und Berlin kommen allerdings dicht hinter Leipzig.