Essen vor dem Spiegel, kleine und unschöne Teller, Geschenke und andere Tricks

Bild: Lppa/CC-BY-SA-3.0

Eine neue wissenschaftliche Zeitschrift gibt aufgrund von Studien Empfehlungen, wie man weniger essen und trotzdem zufrieden sein kann

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In manchen Kreisen ist Essen zu einem beherrschenden Thema des Lebensstils und der Sorge um sich geworden. Es muss natürlich "gesund", gut aussehend und günstig sein und soll nicht in erster Linie sättigen, sondern vor allem nicht dick machen. Heftig diskutiert werden, welche Diäten wie Low Carb am besten seien, ob man vegetarisch oder vegan essen sollte, wie es mit dem Zuckergehalt und Zusatzstoffen aussieht, ob es laktose- und glutenfrei sein soll.

Das Journal of the Association for Consumer Research startet seine erste Ausgabe mit einigen Einsichten aus der "Verhaltenswissenschaft des Essens". Geraten wird erst einmal, Essen oder Lebensmittel nicht als "gesund" zu bezeichnen. In einer Studie haben Wissenschaftler herausgefunden, dass Versuchspersonen dazu neigen, "gesundes" Essen damit zu verbinden, dass es weniger füllen würde. Deswegen wird dann von "gesundem" Essen auch mehr verspeist oder bestellt. Wenn man hingegen die Nährwerte mit angibt, würde diese Assoziation nicht mehr einschnappen. Die Wissenschaftler vermuten, dass gerade die modische Welle, gesunde Lebensmittel zu vermarkten, dazu geführt haben könnte, dass mehr Menschen übergewichtig oder adipös werden.

Interessant ist, dass angeblich gesundheitliche Warnhinweise, wie man sie auf Zigarettenschachteln findet, bei Lebensmitteln den Effekt auslösen können, mehr von den gefährlichen Produkten zu verzehren. In einem Experiment stellte sich so heraus, dass Versuchspersonen, die auf einer Kekspackung den Hinweis "Alle zuckerhaltigen Süßigkeiten sind schlecht für die Gesundheit" lesen konnten, im Endeffekt 39 Prozent mehr davon aßen als diejenigen, die einen positiven Hinweis bekamen.

In einem anderen Versuch hatten diejenigen, die sich in einer Diät befanden, dadurch eine positivere Wahrnehmung von ungesunden Lebensmitteln. Wer nicht auf Diät war, blieb von positiven und negativen Hinweisen unbeeindruckt. In einem dritten Versuch zogen Menschen auf Diät, wenn sie einen negativen Hinweis lasen, das ungesunde Lebensmittel eher dem gesünderen vor. Wenn sie hingegen auf dem Produkt negative und positive Hinweise erhielten, entschieden sie sich eher für das gesündere.

Warnungen scheinen also für diejenigen, die abnehmen wollen, eher einen Sog auszuüben. Besser sei es, so die Wissenschaftler, ausgewogener zu informieren. Fragt sich, wie man das bei Zigaretten machen sollte.

Happy Meals: Versöhnung mit kleinen Portionen durch zusätzliche Geschenke

Man soll doch einfach weniger essen, sagen Psychologen und Marketingforscher, die damit experimentiert und die Reaktionen von Erwachsenen und Kindern mit Hirnscans beobachtet haben. Weil für viele aber weniger essen zwar gesünder sein mag, aber keinen Spaß macht, müsse man mit Tricks vorgehen, um sich von gesünderen Portionen zu überzeugen.

Man müsse kleinere Portionen nur mit anderen Anreizen wie ein bisschen Geld oder einem Spielzeug verbinden, damit diese glücklich machen und zu "Happy Meals" werden. Wer zwischen einer halben Portion mit einem Geschenk und einer größeren Portion ohne Geschenk entscheiden kann, wählt danach eher die kleinere Portion - die Belohnung im Gehirn unterscheidet nicht zwischen Essen und Geschenk, Hauptsache man bekommt etwas. Und wenn man statt einer Mahlzeit zwei Dinge gleichzeitig erhält, eine kleinere Mahlzeit und ein Geschenk, dann findet dies das neuronale Belohnungszentrum, besonders im Striatum, offenbar überzeugend.

Das Belohnungszentrum ist überdies sogar von der Erwartung, das kleine Geschenk zu erhalten, mehr motiviert als durch das kleine Geschenk selbst. Versuchspersonen wählten eher eine kleine Portion mit der Möglichkeit, 10 US-Dollar in einer Lotterie zu gewinnen, als mit einer garantierten Summe. Überhaupt sind eher vage Aussichten verlockender als eine genaue Angabe der Gewinnwahrscheinlichkeit.

Zumindest Erwachsene seien bereit, wie Mitautor Martin Reimann sagt, "Kalorien für ein Glücksspiel zu opfern". Das Glücksspiel mit der darin enthaltenen Unsicherheit ist nach Ansicht der Autoren attraktiv, weil es einen "Thrill" setzt. Die Versuchspersonen entschieden sich auch dann, wenn sie hungrig waren, für einen halben Burger oder eine halbe Pizza - und holten dies dann angeblich auch später nicht nach.

Danach könnten die Restaurantbetreiber oder auch die Lebensmittelanbieter schlicht die Portionen kleiner machen und dafür den Kunden Preise versprechen, wodurch sie vielleicht profitabler arbeiten könnten. Die Autoren postulieren eine "Win-Win-Lösung" für die Menschen und die Unternehmen: "Restaurants und Lebensmittelhersteller", so Mitautorin Antoine Bechara, "sind eher daran interessiert, mehr Lebensmittel zu verkaufen. Unsere Studie zeigt eine einfache, aber wirksame Lösung, diese beiden scheinbar widersprechenden Ziele, mehr zu verkaufen und weniger zu essen, zu vereinen". Konsum müsste aber sein, angeblich dann halt "gesünder".

Die Konsumenten könnten sich natürlich auch selbst mit kleinen Geschenken austricksen, um weniger zu essen. Fragt sich nur, ob das länger wirkt, falls es dies überhaupt im realen Leben tut. Eltern könnten Leistungen ihre Kinder mit nicht essbaren Anreizen, auch mit Versprechungen, belohnen - nicht mit Süßigkeiten -, um, wie die Autoren schreiben, "die Wahrscheinlichkeit zu verringern, gutes Verhalten mit Essen zu verbinden". Man nennt das schlicht Konditionierung, die aber auch mit sich bringen kann, dass die Belohnungen immer höher ausfallen müssen, um zu überzeugen.