Terrorbekämpfer: Zwischen Drama und Nicht-Wissen

Die beiden bekanntesten Protagonisten des Salafismus in Deutschland, Sven Lau und Pierre Vogel, auf einer Veranstaltung, Freiburg 2014. Bild: ireas/CC BY-SA 4.0

Verfassungsschutz warnt vor gefährlicher Zunahme der Zahl der Salafisten in Deutschland

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Verlässlich pendelt die staatliche Institution, die unter dem Begriff "Verfassungsschutz" Vertrauen und ein Sicherheitsgefühl vermitteln soll, in den öffentlich gewordenen Ausweisen ihrer Tätigkeit zwischen Versagen und Blindheit (NSU) und Farce (Neulandesverrat).

Seitdem geplante Anschläge in Paris, im Touristenland Tunesien sowie einzelne, anscheinend aus einer "spontanen" individuellen Entscheidung heraus ausgeführte Terrorakte bestätigen, dass die IS-Drohungen ("Tötet sie, bespuckt sie, verachtet sie") durchaus blutig ernstgenommen werden, sind die Erwartungen an den Verfassungsschutz gestiegen.

Es bleibt allerdings der Eindruck, dass von der Behörde wenig Solides kommt. Wie Verfassungsschutzchef Maaßen gestern verdeutlichte, bleibt es beim Oszillieren zwischen Nichts-Genau-Wissen und Drama. So mahnt Maaßen einerseits zu "mehr Gelassenheit gegenüber Terrorwarnungen", anderseits sprechen seine Leute von einer besonders ernsten Sicherheitslage.

"Besorgniserregende Statistiken"

Gestern veröffentlichte der Verfassungsschutz "besorgniserregende Statistiken", wie dies aus Meldungen von Nachrichtenagenturen hervorgeht. Es geht um Salafisten in Deutschland.

Ihre Zahl sei innerhalb weniger Monate deutlich gewachsen. "Verfassungsschützer sind alarmiert", heißt es dazu. Lag die Zahl der Salafisten nach Einschätzung des BfV im September noch bei 7.900, so geht man jetzt von 8.350 Salafisten in Deutschland aus.

Das ist eine ganze Menge, von der man gerne wissen möchte, wie sie sich genauer zusammensetzt, wo sie sich betätigt und wie die Mitglieder ausgerichtet sind, usw. - in Frankreich gab es dazu beispielsweise eine längere Diskussion, inwieweit Unterscheidungen zwischen pietistischen und dschihadistischen Salafisten für weitere Erkenntnisse wertvoll wären oder ob dies aus politischer Sicht ein Irrweg ist, weil Salafisten in allen Schattierungen Gegner der Demokratie und essentieller Werte sind, die wir hochhalten.

So wäre interessant zu erfahren, wie es um die Salafisten steht, die nach Erkenntnissen des BfV gezielt muslimische Flüchtlinge ansprechen, um sie "für ihre Anliegen zu rekrutieren". Laut Verfassungsschutz habe man 230 einschlägige Versuche zur Kontaktaufnahme im Umfeld von Asylbewerberunterkünften festgestellt.

Gefährdungshinweise verdreifacht

Der Verfassungsschutz lieferte den Medien gestern aber lediglich die Warnung, dass man bei den Salafisten in Deutschland von einer "kontinuierlich wachsenden Anhängerschaft ausgeht", das ist beunruhigend, ohne aber irgendetwas zu erhellen.

"Die Sicherheitslage ist ernst, darauf müssen wir uns einstellen", erklärt Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen.

Im letzten Jahr haben sich die Gefährdungshinweise verdreifacht.

Mitgeteilt wird außerdem, dass das salafistische Milieu den "Nährboden für gewalttätige Islamisten" abgibt, Schlagworte auch hier ohne jede weitere Einzelheit, nur die Zahl, dass "bislang 790 Salafisten" in Richtung Syrien oder Irak ausgereist seien. In welchen Zeiträumen, gibt es auch hier eine Tendenz?

Rund ein Drittel der Ausgereisten sei inzwischen wieder nach Deutschland zurückgekommen, heißt es lakonisch. Rund 130 der Ausgereisten seien in Syrien oder im Irak ums Leben gekommen. Weiß man, wo die anderen geblieben sind?

Laut Zahlen, die das BKA vor kurzem bekannt gab, kehren mehr als 400 Menschen aus Kampfgebieten der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) nach Deutschland zurück. Die Zahl nimmt laut Holger Münch, Chef des Bundeskriminalamts, zu. Diese Gefährder müssten im Auge behalten werden (siehe dazu Syrienheimkehrer: Unterschied zwischen "Tourist" und "Terrorist").