Bundesinnenministerium: Auslieferungsersuchen für Snowden wird noch geprüft

Wie an die dänische Regierung, die im Juni 2013 schon eine CIA-Maschine landen ließ, erging auch ein Auslieferungsersuchen an Deutschland

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Peter Kofod von Denfri.dk hat, wie berichtet, nach Eingabe von Anträgen zur Informationsfreiheit von der dänischen Regierung einige zum Teil heftig geschwärzte Dokumente erhalten, die bestätigen, dass die USA im Juni 2013 beabsichtigt hatten, Edward Snowden zu verschleppen (USA wollten Snowden 2013 aus Europa verschleppen). Der Whistleblower war aus Hongkong im Juni nach Moskau geflogen und sich dort einige Zeit aufgehalten. Snowden wollte bekanntlich nicht in Russland bleiben, sondern hatte vor, in ein Land zu gelangen, das ihm Asyl anbietet.

CIA und FBI rechneten offenbar damit, dass Snowden heimlich ein Flugzeug besteigen könnte, um etwa in ein europäisches Land zu kommen. Daher schickte die CIA in lange geübter Praxis eines der als Privatflugzeuge getarnten Gulfstream-Maschinen nach Dänemark. Die dänische Regierung genehmigte, wie sich den Dokumenten entnehmen lässt, für den 25. und 26. Juni 2013 ein für 72 Stunden gültiges Lande- und Überflugrecht, sofern das Flugzeug "strikt für staatliche Zwecke nichtkommerzieller Art" benutzt wird.

Screenshot aus dem Video des Interviews von Laura Poitras mit Edward Snowden im Juni 2013.

Aus einem Kofod vorliegendes FBI-Anschreiben an die norwegische Polizei, das auch an die dänische, finnische und schwedische Polizei ging, aber von dem das dänische Justizministerium nur den Briefkopf ohne Text weitergab, geht hervor, dass Norwegen aufgefordert wird, "unverzüglich die erforderlichen und zuständigen Behörden zu benachrichtigen …, wenn Snowden einen Flug von Moskau zu einem Ihrer Länder zum Zweck des Transits oder als endgültige Destination betreten sollte".

Die Einräumung der Lande- und Überflugrechte für das CIA-Rendition-Flugzeug lässt vermuten, dass zumindest die damalige dänische Regierungskoalition aus Sozialdemokraten (S), Sozialliberalen (R) und Sozialistischer Volkspartei (SF) unter der Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt bereit gewesen sein dürfte, Snowden festzunehmen und auszuliefern - und das ohne große Formalitäten und ganz schnell.

Schweden hatte in einem solchen Fall bereits mitgespielt (Schweden und die CIA-Praxis des Verschleppens von angeblichen "Terroristen" in Folterländer), Deutschland machte neben vielen anderen EU-Staaten auch mit (Und Europas Mithilfe beim CIA-Folterprogramm?), Italien erhob wenigstens eine Klage gegen CIA-Mitarbeiter, die einen aus Ägypten stammenden Imam aus Mailand heimlich entführten und dabei auch den US-Luftwaffenstützpunkt in Ramstein benutzten (Haftbefehl für CIA-Agenten).

Dass die USA rigoros vorgehen, hatte sich gezeigt, als die Präsidentenmaschine Boliviens in Österreich zur Landung gezwungen wurde. Präsident Morales hatte Anfang Juli 2013 an einem OPEC-Treffen in Moskau teilgenommen und die offenbar schlecht informierten US-Geheimdienste waren davon ausgegangen, dass Snowden an Bord der Maschine nach Bolivien heimlich geschmuggelt werden sollte.

Telepolis hat beim deutschen Bundesjustizministerium und beim Bundesinnenministerium nachgefragt: "Sind entsprechende Anfragen auch an die deutsche Regierung im Juni 2013 gerichtet worden? Wurden als Privatflugzeuge getarnte Maschinen für "staatliche Zwecke" Lande- und Überflugrechte gewährt? Hat Deutschland zugestimmt, Snowden festzunehmen und auszuliefern, falls er deutsches Territorium betreten sollte?"

Ein Pressesprecher des Bundesinnenministeriums bestätigte heute Vormittag telefonisch, dass zu dieser Zeit ein Festnahmeersuchen auch beim Ministerium vermutlich über das Auswärtige Amt eingegangen sei. Nach seinen Aussagen werde auch jetzt noch, zweieinhalb Jahre nach Eingang, geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Festnahme und Auslieferung vorliegen würden. Bislang sei noch keine Entscheidung getroffen worden, das Ersuchen also noch nicht wirksam. Von einer möglichen Überflug- und Landegenehmigung eines Flugzeugs, wie dies in Dänemark der Fall war, wisse man im Bundesinnenministerium nichts. Solche Anfragen würden eher an das Verteidigungsministerium gerichtet. Das Bundesjustizministerium hat bislang nicht geantwortet.

Update: Am frühen Nachmittag antwortete eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums mit CC an das Bundesjustizministerium allerdings wieder anders: "Ihre Frage nach vorläufiger Festnahme bzw. Auslieferung von Herrn Edward Snowden betrifft den internationalen Rechtshilfeverkehr. Zuständig für die Beantwortung innerhalb der Bundesregierung ist deshalb das BMJV, das Sie auch bereits angeschrieben haben. Ihre Frage im Zusammenhang mit der Gewährung von Lande- und Überflugrechten fällt ebenfalls nicht in unsere Zuständigkeit, bitte wenden Sie sich insoweit an das BMVI."