Fall Lisa: 13-Jährige soll bei Bekannten übernachtet haben

Laut Staatsanwaltschaft Berlin gibt es keine Hinweise auf sexuellem Missbrauch im fraglichen Zeitraum. Aufgeklärt ist der Fall damit nicht. Obendrein ist er mit Kampagnen verbunden, denen Gerüchte reichen

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Der Fall Lisa (Die 13-jährige Lisa, Flüchtlinge und der Propagandakrieg) hat sich bis ins deutsche und russische Außenministerium hochgeschaukelt. Ein klärendes Telefongespräch zwischen Steinmeier und Lawrow war für heute angekündigt, berichtete der Spiegel mit Berufung auf die Außenamtssprecherin Maria Sacharowa in Moskau.

Ob und worüber die beiden Außenminister gesprochen haben, war am Freitagabend gegen 18 Uhr noch nicht öffentlich bekannt. Tage zuvor hatte der russische Außenminister in der deutschen Öffentlichkeit für Aufregung gesorgt, als er sich zum Fall der 13-Jährigen äußerte, einem Mädchen aus Berlin mit russischem Pass, das 30 Stunden verschwunden war und angeblich vergewaltigt worden sein soll.

Erstaunlicherweise brachte Lawrow die Geschichte, die mit allerhand Gerüchten aufgeheizt wurde, bei einer großen Pressekonferenz zur Sprache. Dabei nahm er Vorwürfe auf, die von bestimmten politischen Milieus befeuert werden.

Wir wünschen Deutschland auch Erfolg dabei, schwere Probleme zu lösen, die mit Migranten verbunden sind. Ich hoffe, dass diese Probleme nicht verschwiegen werden und es nicht mehr solche Situationen wie mit dem russischen Mädchen Lisa geben wird, bei der die Nachricht über ihr Verschwinden aus irgendwelchen Gründen lange verheimlicht wurde. (…) Es ist klar, dass das Mädchen nicht freiwillig für 30 Stunden verschwand. Hier sollten Wahrheit und Gerechtigkeit siegen.

Wie heute von der Staatsanwaltschaft Berlin über deren Sprecher bekannt wurde, geht man dort von einem freiwilligen Verschwinden aus, wird der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, zitiert:

Das Mädchen hat bei einem 19 Jahre alten Deutschen, einem Bekannten von ihr, Zuflucht gesucht. Wir haben dort Kleidungsstücke von ihr und ihrer Mutter gefunden.

Der Mann habe dies bestätigt. Als Erklärung verweist Steltner auf schulische Probleme: "Es stand wohl ein Gespräch mit einem Lehrer an, davon wollte sie wegkommen."

Hinweise auf einen sexuellen Kontakt des Mannes zu dem Mädchen gebe es nicht - "in diesem Zeitraum habe kein sexueller Missbrauch stattgefunden". Weswegen der Mann auch als Zeuge behandelt werde. Der 19-Jährige habe keinen Migrationshintergrund, so der Spiegel.

Bei der Ermittlung haben rekonstruierte Daten aus einem Handy eine wichtige Rolle gespielt, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Zudem wird er damit zitiert, dass es "keinen Hinweis gebe, dass ihr von Dritten Verletzungen zugefügt" worden sind. Zur Herkunft der Hämatome, von denen in einem Gutachten die Rede sein soll, gibt es keine weitere aufklärende Antwort. Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiterhin gegen zwei junge Männer wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs, berichtet die Berliner Morgenpost: "Sie werden verdächtigt, in den Monaten vor dem Verschwinden des Mädchens sexuelle Kontakte zu ihr gehabt zu haben. Die Polizei geht davon aus, dass die 13-Jährige die Männer mit türkischem Migrationshintergrund, die beide in Berlin geboren wurden, schon über Monate kannte."

Aufgeklärt ist der Fall damit nicht. Es bleiben noch Fragen offen - eine Nacht dauert nicht dreißig Stunden, dazu die Verletzungen, die der Anwalt der Familie als Hinweis für Körperverletzung in Tateinheit mitsexuellem Missbrauch hervorhob. Ungeklärt bleibt weiter, wie es mit dem Vernehmungsdruck steht, dem das Mädchen nach Angaben des Anwalts ausgesetzt war.

Die Haupttriebfeder dessen, was den Fall ausmachte, ist damit nicht "entspannt": Die Gerüchte werden weitergehen.

Der Fall ist für viele Seiten interessant. Bei RT grenzte man sich zwar von ultranationalen russischen Publikationen ab, die den Fall pitchten, wie auch von falschen Tatsachenbehauptungen. Der interviewte Journalist, der als einer der ersten größer über den Fall berichtete, erhob jedoch starke Vorwürfe vor allem gegen deutsche Medien, die die Familie in Verruf brachten, in dem sie sie nach seinen Worten als Lügner brandmarkten und ihr Nähe zu rechten Kreisen unterstellten.

In diese Richtung stieß auch Jürgen Elsässer bei Compact. Er stellte als Tatsache hin, dass ein "deutschrussisches Mädchen geschändet wurde", hob hervor, dass zwei Türken tatverdächtig sind und das deutsche Medien "höhnisch" mit dem Opfer umgehen. Aktuelle Kommentare unter dem Bericht sind geteilt. Manche behandeln den Fall als gelöst, andere sprechen von gekauften Zeugen. Eine redaktionelle Reaktion zu den jüngsten Ergebnissen der Staatsanwaltschaft gibt es noch nicht.