Genfer Gespräche III: "Reden ist besser als Krieg führen"

Völkerbundpalast in Genf. Foto: Eferrante/CC BY-SA 3.0

UN-geführte Verhandlungen zwischen syrischer Regierung und Opposition: Die Interessen der auswärtigen Mächte sind das große Problem, nicht Baschar al-Assad

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Die Arbeitshypothese für die Gespräche zwischen der syrischen Regierung und Oppositionellen in Genf lautet: "Reden ist besser als Krieg führen". Dessen ungeachtet geht das Blutvergießen in Syrien weiter, wie ein Anschlag im Süden der Hauptstadt Damaskus am Sonntag verdeutlichte. Mindestens 60 Tote soll der Anschlag auf den schiitischen Schrein von Sajjida Seinab zur Folge gehabt haben, den sich der IS zuschreibt.

So zeigte sich schon am Anfang von "Genf III", dass der Wirkungskreis der Veranstaltung beschränkt ist. Allerdings steht die syrische Nachrichtenagentur Sana mit ihrerErklärung, der Terroranschlag stehe im Zusammenhang mit den Gesprächen in der Schweiz, die zu unterminieren die Absicht der Terroristen sei, gewiss nicht allein da.

Eine bestimmte Bedeutung wird den Genfer Gesprächen auch von den al-Qaida-Dschihadisten zuerkannt, wenn auch auf perfide Weise.

Waffenstillstand wäre greifbar, wenn nichts mehr geliefert wird

Dass die Verhandlungen in Genf unter Leitung der UN einen schweren Stand haben, liegt nicht nur an den Grenzen, die ihnen das Kriegsgeschehen zieht - die Auffassung, wonach sich die Lage in Syrien vor allem und hauptsächlich militärisch entscheidet, ist weit verbreitet.

Die große Crux der Genfer-Verhandlungen liegt genau in dem Problem, das überhaupt erst zu dieser schier unlösbaren Situation geführt hat: die Einmischung von außen, die Hintergrundmanöver der USA, Saudi-Arabiens, der Türkei und Katars, die ziemlich schnell den Aufstand für eigene Interessen nutzen wollten und mit massiver Unterstützung militanter Gruppen eingriffen, was dann auch die Interessen anderer auswärtiger Staaten wie Iran und Russland betraf, beide Schutzmächte der syrischen Regierung, die dazu auch eigene geostrategische Interessen verfolgen.

Um es etwas zu vereinfachen: Würden die Staaten, die hinter den salafistischen Oppositionsgruppe stehen, keine Waffen und keine Gelder mehr nach Syrien liefern, wäre das große Ziel der Genfer Gespräche, der Waffenstillstand, ein greifbares Ziel. Das erscheint jedoch nach Lage der Dinge - angesichts der Konfliktstellungen zwischen Iran und Saudi-Arabien, zwischen der Türkei und Russland und nicht zuletzt zwischen den USA und Russland - utopisch.

Die beschränkte Rolle der Opposition

So bleibt es erstmal bei der Arbeitshypothese: Reden, reden und reden und schauen, ob sich daraus eine Grundlage herausbilden kann, die den politischen Prozess so stark macht, dass er eine Rolle spielt. Bis zum militärischen Eingreifen Russlands hat er keine mehr gespielt. Die Chance, die Genf III hat, liegt darin, dass es anders als bei den Gesprächen Genf I und II nicht um einen Regime Change geht. Die Ablösung von Baschar al-Assad steht nicht zur Debatte. Das ist schon ein diplomatischer Erfolg.

Es kann sich niemand mit realpolitischem Verstand vorstellen, dass die Oppositionsgruppen, die sich jetzt in Genf präsentieren, die gegenwärtige syrische Regierung ablösen können. Der Staat und das Regime, das Baschar al-Assads Vater Hafiz seit 1971 aufgebaut hat, sind miteinander auf eine Weise verzahnt, dass der Staats-Kollaps droht, wenn darauf keine Rücksicht genommen wird.

Dazu kommt eine weitere Einschränkung des Wirkungskreises von Genf III. Die Einmischung von außen hat nicht nur den Krieg geschürt, sondern auch die Rolle der Opposition im Land beschnitten. Durch die Unterstützung der Salafisten/Dschihadisten durch Saudi-Arabien, der Türkei und den USA hatte die politische Opposition in Damaskus keine Alternative als die, unter die syrische Fahne zu gehen.

Es gab 2011 und zuvor ökonomische und innenpolitische Probleme, die mit der Regierung Assad zusammenhängen - Machtfülle, Nepotismus, persönliche Bereicherungen und die Verarmung der Bevölkerung - aber die Intervention hat sie in den Hintergrund gerückt. Dazu kamen Sanktionen von den USA und der EU, die dem Land wirtschaftlich schadeten.

Die Exilpolitiker von saudi-arabischen Gnaden

Die Opposition, deren Vertreter über Arbeitsgruppen dem UN-Gesandten Staffan de Mistura Vorschläge machen soll, besteht zum größten Teil aus Exilpolitikern, dazu Vertreter bewaffneter Gruppen (darunter auch solche mit salafitischer Agenda, Ahrar al-Sham bleibt am "Spielfeldrand") und einige wenige Vertreter der Opposition aus Damaskus. Die größte Gruppe geht aus einer Konferenz im saudischen Riad hervor und nennt sich High Negotiations Committee (HNC), zu deutsch etwa "hohes Verhandlungskomittee".

Seine Bedeutung erlangt es vor allem durch die Unterstützung von Saudi-Arabien und der Türkei im Vordergrund und im Hintergrund den USA. Schon der erste Auftritt war vor allen Dingen theatralisch. Die HNC-Vertreter reisten einen Tag später an, um sofort mit ihrer Abreise zu drohen. Der HNC will Aufmerksamkeit und Relevanz.

HNC-Sprecher Salem al-Meslet verlangte von dem Assad-Regime einen Stopp der Bombardements ziviler Ziele, ungehinderte humanitäre Hilfe für eingeschlossene Menschen in den belagerten Städten und die Freilassung von Gefangenen, besonders von Frauen und Kindern. "Wir sind hier, um wirklich eine Lösung für alle Syrer zu finden", sagte al-Meslet. Das HNC sei sehr bestrebt, in Genf einen Erfolg zu erzielen.Standard

Die Türkei, die USA, Russland und die Kurden

Der größte Streitpunkt war jedoch ein anderer. Die Türkei drängte darauf, dass die syrischen Kurden (YPG), die mit der PKK in Verbindung stehen, nicht an den Gesprächen in Genf teilnehmen. Sie hat sich durchgesetzt.

Obwohl die USA mit der YPG in Syrien im Kampf gegen den IS zusammenarbeiten. Die YPG sind bei der syrisch-demokratischen Allianz (SDF) das tragende Element. Dass die Türkei dennoch mit ihrem Nein durchkam, zeigt, dass die USA, wenn es kritisch wird, eindeutig enger zum Nato-Partner steht.

Russland war für die Teilnahme der syrischen Kurden, sonst habe Genf III keine Zukunft. Der Zwischenstand sieht momentan laut Aron Lund, der über die genauen Teilnehmer der Gespräche informiert so aus, dass die Interessen der Kurden über eine Oppositionsdelegation vertreten werden, die Russland den von Riad ausgewählten Vertretern hinzufügte - was anscheinend mühsam über Verhandlungen erstritten wurde. Auf Russlands Liste der Oppositionellen finden sich mit Haitham Manna, der Interessen der kurdischen Syrer vertritt, und Qadri Jamil immerhin zwei schillernde Namen.

Sie sollen als Berater bei den Gesprächen dabei sein. Die eingangs genannte Arbeitshypothese wird von de Mistura auf ungewöhnliche Art umgesetzt. Zumindest am Anfang soll es keine direkten Gespräche zwischen den Oppositionellen und den Regierungsvertretern geben, sondern Arbeitsgruppen, die Ergebnisse kommen an UN-Vertreter, die daraus Diskussionspunkte ziehen, die dann an andere Arbeitsgruppen weitergeleitet werden. Ein mühsamer Prozess, von dem man sich verspricht, dass sich daraus eine Basis entwickelt, die politische Überzeugungskraft hat.