Vom homo sapiens zum homo optimus

Träumereien eines britischen Futurologen

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Futurologen wollen vorhersagen, in welche Richtung sich die Gesellschaft oder die Technik entwickeln will. Der Brite Ian Pearson ist ein Futurologe, der mit Anspruch auftritt, meist richtig die Zukunft vorhersehen zu können. Er gesteht ein, zu 15 Prozent auch mal danebenzuliegen.

Jetzt durfte der Futurologe einen Exkurs für die The Bigbang Fair 2016 machen (ausführlicher hier), eine Messe zur Förderung junger Wissenschaftler, die auch das Interesse junger Menschen für Wissenschaft und Technik wecken soll. Sonderlich neu ist nicht, was Pearson bis spätestens 2050 prophezeit. Die Menschen sollen bis dahin zu Cyborgs geworden sein, bei denen das Gehirn und der Körper direkt durch Implantate oder eine elektronische Haut mit Computern verbunden sind.

Und dann sollen auch Hunde oder andere Haustiere mit den Menschen sprechen können. Welch ein Sprung in der Evolution. Fragt sich nur, ob Hund und liebender Tierhalter sich viel zu sagen haben oder sich schnell auf den Wecker gehen, wenn der Tierhalter zurückbellt. Pearson stellt auch in Aussicht, dass sich nicht nur die Intelligenz der Menschen, sondern auch die der Tiere verbessern ließe, die dann wie so vieles andere smart werden: "smart pets". Man wird auch raten können, dass dann davon viele Tierarten ausgenommen werden, die in Fabriken auf engstem Raum gezüchtet und geschlachtet werden. Das will man nicht hören. Oder wird durch die Kommunikation zwischen Tier und Menschen das vegane Zeitalter kommen?

Ansonsten hat Pearson aus der Literatur andere Techniken gezogen, die uns erwarten sollen, wenn Wetware, Software und Hardware verschmelzen, aber die Frage offenbleibt, wie dann die Upgrades laufen werden. Jedenfalls sieht er eine Art Stützhose aus Gelmuskeln voraus, die uns beim Gehen helfen sollen, wobei dann möglicherweise die Muskeln weiter verkümmern. Die Zukunft soll auch ein "smart Make-up" mit sich bringen. Da soll dann anstatt der heutigen unappetitlichen Schmiere eine saubere Membran über dem Gesicht liegen, das dann ohne Falten sein wird und sich auch verändern kann. Legt man sich dann zum Bräunen nicht mehr in die Sonne, sondern verändert nur die Farbe der Membran. Schön dürfte dann sein, dass niemand mehr sieht, wann man vor Scham oder Wut rot im Gesicht anläuft. Oder man verschwindet hinter den Videos, die auf dem Gesicht zu sehen sind.

Nett ist auch die Vorstellung, dass die künftigen Raumfahrer in kleinen Körpern mit Flügeln wie Elfen stecken könnten. Mit den Flügeln könnten sie sich besser in der Schwerelosigkeit bewegen.

This could give rise to some weird and wonderful future forms and creations - from changing video displays on our faces to controlling our own dreams - our (evolving) imaginations are the only limit.

Ian Pearson

Überhaupt scheint entweder Pearson vom perfektionierbaren und optimierbaren Körper fasziniert zu sein oder zu glauben, so die Begeisterung der jungen Menschen für die Zukunft zu finden. Er spricht von einem Homo optimus, eine neue Art, die sich permanent optimiert. Mit Nanotechnologie wird man nach ihm die Körper von innen beobachten und reparieren können, was mindestens auch schon 20 Jahre lang als Vision oder Versprechen herumgeistert. Mit der Einlösung geht es dann doch viel langsamer, als Futurologen dies ankündigen. Deren Geschäft besteht ja auch darin, den jetzt lebenden Menschen Aussichten zu eröffnen, was künftige Generationen einmal erwarten könnten ist vielen mindestens so egal wie die Folgen der Klimaerwärmung. Immerhin stellt Pearson in Aussicht, dass die Nanotechnologie nicht nur Ärzte und Krankenhäuser ersetzen könnte, sondern auch Zahnärzte und Prothesenbauer, denn Zähne könnte man sich vielleicht auch nachwachsen lassen. Zellen sind ja insgesamt auch nichts anderes als kleine 3-Drucker.

Das Versprechen auf Unendlichkeit für all diejenigen, die mit Diät, Fitnessprogrammen und Trackern emsig schuften, wenigstens ihr Leben zu verlängern, darf selbstredend auch nicht fehlen. Auch das wurde schon des Längeren prophezeit, über Einfrieren und darauf zu hoffen, dass in Zukunft, wenn es möglich sein wird, einen jemand auftaut und die Reparatur zur Wiederauferstehung vornimmt, ist man aber nicht hinaus. Nicht einmal ein Gehirn kann man bislang simulieren, geschweige denn, nur den Gehirninhalt - die Persönlichkeit, den Geist, was auch immer - in einen Computer oder ein Netzwerke hochzuladen.

Aber man kann sich offenbar eben gar nicht vorstellen, dass die Erde und der Rest der Menschheit mitsamt den kommenden Generationen auf die eigene Persönlichkeit verzichten könnten. Pearson spricht von einer "elektronischen Unsterblichkeit". Die sei möglich, aber leider nicht für jeden, sondern nur für diejenigen, die jetzt noch keine 40 Jahre alt sind. Jedenfalls sollen die Jüngeren unter uns dann bis 2050 online leben können. Dann sind nicht mehr Viren, Pilze oder Bakterien als Hacker lästig, sondern deren digitale Varianten.

Auch so, der transhumanistische homo optimus, der löst alles ein, wovon die Menschen schon immer geträumt haben. Futuristisch ist daran nur, dass das Paradies durch die Technik ersetzt wurde, aber immerhin braucht man da offenbar auch nicht von Geld, Reparaturen, Pannen und Zwängen zu sprechen. Alles wird gut, verspricht das transhumanistische "Ja, wir schaffen das":

Mit optimierten Genomen und Körpern, die mit Verbindungen zu externer Technik verbessert werden, können die Menschen schöner, intelligenter, emotional schlauer, körperlich fitter, sozial vernetzter, allgemein gesünder und allseits glücklicher sein.

Ian Pearson

Futurismus in der Art ist nur das Erzählen von Märchen, in denen auch schon immer vom Tischlein deck dich und Jungbrunnen phantasiert wurde.

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