Grenzschutz: Ankara will mehr Geld und einen anderen Auszahlungsmodus

Syrische and irakische Flüchtlinge kommen von der Türkei in Skala Sykamias, Lesbos, an. Foto: Ggia/CC BY-SA 4.0

Ein Bericht aus Brüssel vom EU-Verbindungsbüro für den Bundestag beklagt Versäumnisse bei der Umsetzung des Abkommens zwischen der EU und der Türkei

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Premierminister Renzi gibt seinen Widerstand auf. Italiens Beitrag für den drei Milliarden Euro dicken Türkeihilfe-Fonds werde bezahlt. Offenbar gibt es Annäherungen zwischen der EU-Kommission und Italien.

Renzi hatte die Zahlungen zunächst verweigert mit Verweis auf die eigenen Leistungen und Belastungen beim EU-Außengrenzschutz und mit Kritik am Türkeihilfspaket, das seiner Auffassung nach aus dem EU-Budget beglichen werden sollte. Er machte Zugeständnisse in der Frage davon abhängig, dass er mehr Schulden machen dürfe als derzeit erlaubt.

Noch sind nicht aber nicht alle Beiträge eingegangen, "mehrere EU-Mitgliedstaaten" seien den an sie gerichteten Anforderungen bisher nicht nachgekommen, kritisiert ein Bericht des Brüsseler EU-Verbindungsbüros für den Bundestag. Nach Angaben der ARD liegt er dem Studio des Senders in Istanbul vor.

Türkische Regierung: selbst und unabhängig über die Mittel bestimmen

Laut Tagesschau gibt es kaum Zweifel daran, dass die Türkei ihre Forderungen nach oben schrauben wird. Davutoğlu hatte bereits vor den Berliner Konsultationen angedeutet, dass Ankara mehr Geld will: ‚‚Drei Milliarden Euro sind nur dazu da, den politischen Willen zur Lastenteilung zu zeigen."

Seither ist die Zahl von 5 Milliarden Euro, also 2 Milliarden plus, im Umlauf. Zwar bestätige weder Brüssel noch Berlin die Zahl, so der Tagesschaubericht, aber gegen das Argument, Europa wolle keine Flüchtlinge, dann müsse es die Türkei anständig dafür bezahlen, sei wenig auszurichten. Die türkische Regierung sitze am längeren Hebel, lässt der Beitrag verstehen.

Syrische and irakische Flüchtlinge kommen von der Türkei in Skala Sykamias, Lesbos, an. Foto: Ggia/CC BY-SA 4.0

Die Zahl der neu registrierten Flüchtlinge in der Türkei sei allein zwischen Oktober 2015 und Mitte Januar 2016 um 300.000 gestiegen, die Kosten für die Versorgung syrischer Flüchtlinge werde von der regierung mit 7,5 Milliarden Dollar beziffert. Der Aufschrei gegen die Erhöhung der Zahlungen dürftenicht laut ausfallen, so der ARD-Korrespondent aus Istanbul.

Wenn die EU und Berlin verhindern wollen, dass weiterhin täglich circa 2250 Flüchtlinge und Migranten von der Türkei nach Griechenland weiterreisen, müssen sie sich auf kontinuierliche Überweisungen nach Ankara einstellen.

Dazu komme die Forderung der türkischen Regierung nach mehr Mitbestimmung bei der Verteilung des Geldes. Bereits am Wochenende wurde aus Diplomatenkreisen zitiert, dass die Regierung in Ankara nur schwer akzeptiere, dass "nur schrittweise und nach strenger Bedarfsprüfung durch die EU ausgezahlt werden solle".

Die Türkei wolle selbst und unabhängig über die Mittel bestimmen, die EU ist wegen "Korruptionsvorwürfe gegen Personen aus dem Umfeld der Regierungspartei AKP" skeptisch, so der ARD-Bericht . Man wolle verhindern, dass das Geld "in dunklen Kanälen der türkischen Bauwirtschaft versickert und so nur ein Bruchteil bei den Flüchtlingen ankommt", heißt es dazu in der Zeit.

Visumspflicht für Flüchtlinge aus Afghanistan, Bangladesh, Pakistan und Marokko gefordert

Der Bericht des EU-Verbindungsbüros für den Bundestag verweist auf Erfolge bei der Umsetzung des Abkommens mit der Türkei: die Öffnung des türkischen Arbeitsmarktes für syrische Flüchtlinge und die Visumspflicht für Flüchtlingen aus Syrien, die über Jordanien und dem Libanon einreisen wollen.

Die Zahl derjenigen, die auf diesem Wege einreisen, ging daraufhin von 41.000 in der Woche vor der Einführungs der Visumspflicht auf 1200 in der Woche danach zurück.

Aber die EU erwarte eine Ausweitung der Visumspflicht für Flüchtlinge aus Afghanistan, Bangladesh, Pakistan und Marokko. Angesichts der freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Türkei und Marokko gebe es "wenig Hoffnung" in der Bundesregierung.

Kritisiert wird von der EU-Außenstelle des Bundestages darüber hinaus, dass die Türkei bisher "nur begrenzt Fortschritte" bei der Bekämpfung der Schleuserkriminalität mache.

Welche Auswirkungen die von der Türkei eingeführten Maßnahmen auf die Flüchtlingsbewegung letztlich haben, lasse sich nicht vorhersagen, wird das Fazit des nüchternen Berichts wiedergegeben. Das ist sehr allgemein gehalten.

Indessen will eine kleine Anfrage von Abgeordneten der Linken Genaueres zum Flüchtlingsabkommen zwischen EU und Türkei wissen, zum Beispiel, für welche konkreten Aufgaben soll die Türkei entsprechend dem Abkommen vom 29. November 2015 wann und wie viel Geld von der EU aus welchen Mitteln erhalten. Man darf gespannt sein, welche Auskunft die Regierung öffentlich dazu gibt.