Venezuela vor dem Kollaps?

Preis für Brent crude oil (US$, 1988 - Dezember 2015). Bild: Furfur/CC-BY-3.0

Der niedrige Ölpreis macht dem Land besonders große Probleme

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Seit 18 Monaten stürzt der Ölpreis ab. Kostete das Barrel Öl im August 2014 noch mehr als 100 US-Dollar, sind es nun nur noch etwa ein Drittel. Auch das ist nur deshalb der Fall, weil es zuletzt Gerüchte gab, Russland werde mit der OPEC eine Kürzung der Fördermengen vereinbaren (Saudi-Arabien und Moskau für Kürzung der Ölförderung?). Da die Lage in Venezuela enorm zugespitzt ist, hatte das Land wiederholt ein Sondertreffen des Ölkartells gefordert. Das Land hat nicht nur Förderkapazitäten verloren, sondern ist zudem extrem abhängig vom Öl. Das gilt allerdings nicht nur für Venezuela, doch die Situation ist durchaus von Ölland zu Ölland verschieden.

Als der sozialistische Staatschef Nicolás Maduro Mitte Januar den "wirtschaftlichen Notstand" dekretierte, sprach er von einem "nicht-konventionellen Krieg" und von einem "ökonomischen Krieg", mit dem Venezuela destabilisiert werden soll. Er widerholte damit seine Vorstellung, wonach ein "Ölkrieg" gegen sein Land und gegen Russland geführt werde, für den er allen voran die USA verantwortlich macht (Der große Ölkrieg).

Präsident Nicolás Maduro Moros auf einem PSUV-Kongress am 29. Januar. Bild: nicolasmaduro.org.ve

Tatsächlich konnte festgestellt werden, dass die Flutung der Ölmärkte durch die USA einen bedeutenden Einfluss auf den Ölpreis hatte. Das hatte deutliche Auswirkungen auf eine wichtige Einnahmequelle für Russland und fatale Folgen für eine Wirtschaft, die wie die Venezuelas fast völlig am Ölhahn hängt. Da diese Theorie nur schwer aufrechterhalten kann, wenn Saudi-Arabien nicht in die Verschwörungstheorie eingebunden wird, wurde auch eifrig an der absurden Behauptung gestrickt, das Wüstenland flute den Ölmarkt (Platzt angesichts des Ölpreissturzes nun die Fracking-Blase in den USA?) .

Das ist jedoch falsch. Das von den Saudis bestimmte Ölkartell hat sich schlicht nicht zu einer neuen Kürzung der Förderung drängen lassen (Die OPEC und der fallende Ölpreis), da damit nur der Preis stabilisiert worden wäre, der das Fracking in den USA rentabel gehalten hätte. So war viel wahrscheinlicher, dass die Politik der Saudis, Venezuelas und der OPEC auch darauf ausgerichtet war, dem Fracking in den USA den Garaus zu machen, wie es gerade mit den Pleiten dort zu beobachten ist. Man muss schon ziemlich paranoid eine Argumentation an den Haaren herbeiziehen, um weiter von einem "Ölkrieg" zu sprechen, wie es Maduro tut. Zentrale Vorgänge müssen dafür komplett ausgeblendet werden. Denn es sind andere Faktoren, die den Ölpreis zuletzt immer tiefer in den Keller getrieben haben, als ein Krieg gegen Russland, Venezuela und den Iran. Tatsache ist doch, dass sich die USA gerade mit dem früheren Erzfeind Iran geeinigt haben. Das Land drängt nun mit den auslaufenden Sanktionen auf den Ölmarkt zurück, womit die Überproduktion weiter steigt (Ölpreis purzelt mit beendeten Iran-Sanktionen).

Will man nun dem Iran vorwerfen, im Bündnis mit den Saudis und den USA Russland und Venezuela in die Knie zu zwingen? Zudem schießt sich der Iran selbst ins Knie. Das Land will zusätzlich viel Öl auf die Märkte spülen. Auch der Iran ist stark abhängig vom Öl, doch die leeren Kassen der Sanktionsjahre zwingen ihn zu diesem Vorgehen. Dazu kommt die anhaltende konjunkturelle Schwäche in China, die seit Monaten für Verwerfungen an den Börsen sorgt. Die Vorgänge sind also viel komplexer und können mit den einfachen Formeln nicht gegriffen werden, mit denen es Maduro versucht.

Auch deshalb war zu vermuten, dass er mit dem Notstand weniger die fatale ökonomische Lage im Land im Blick hatte, sondern es ihm vielmehr um eine Absicherung seiner Macht ging. Schließlich wurde im Dezember seine bolivarische Revolution mit Schimpf und Schande abgewählt. Das Oppositionsbündnis "Tisch der Demokratischen Einheit" (MUD) kontrolliert nun mehr als zwei Drittel der Mandate im neuen Parlament. Es stellt nicht nur ein mächtiges Gegengewicht zur Maduro-Regierung dar, sondern könnte laut Verfassung auch ein Verfahren zur Absetzung des Präsidenten und einen Regierungswechsel einleiten.

Maduro hatte den Wirtschaftsnotstand ausgerufen, um in 60 Tagen umfassende Wirtschaftsreformen ohne die Zustimmung der Nationalversammlung umsetzen zu können. Er wolle die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten sicherstellen, begründet er das Vorgehen. Dabei war die schon zuvor nicht gesichert. Es sollten politische Strategien umgesetzt werden, um das produktive System sowie das Finanzsystem zu reformieren, erklärte Vizepräsident Luis Salas. Man darf es aber getrost als illusorisch betrachten, dass es nun möglich sein könnte, das produktive Geflecht im Land in so kurzer Zeit umzubauen, wenn das seit 1998 nicht gelungen ist.