Neuer Forschungsreaktor Wendelstein 7-X geht in Betrieb

Die Energie- und Klimawochenschau: Von teurer Zukunftsmusik, dicken Betonmauern, runden Tischen und zahlungsunwilligen Energiekonzernen

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Am heutigen Mittwoch geht im vorpommerschen Greifswald der Fusionsforschungsreaktor Wendelstein 7-X in Betrieb. Seit vielen Jahrzehnten träumen Wissenschaftler, Konzernmanager und Techniker davon, die Fusion des Wasserstoffs als Energiequelle nutzen zu können. Bisher vergeblich.

Das Wendelstein-Projekt wird seit den 1950er Jahren verfolgt. In Kernfusionsreaktoren wird ein 100 bis 150 Millionen Grad heißes Plasma aus Wasserstoff erzeugt. Unter diesen Bedingungen trennen sich die Elektronen von den Atomkernen. Ist die nötige Dichte erreicht, kommt es zu einem sich selbst erhaltenden Fusionsprozess. Die Atomkerne verschmelzen zu Helium, wobei große Mengen Energie freigesetzt werden. Allerdings konnte dieser Punkt noch in keinem der seit den 1960er gebauten Versuchsreaktoren erreicht werden.

Das erste Wasserstoff-Plasma in Wendelstein 7-X. Es dauerte eine Viertel Sekunde und erreichte - bei moderater Plasmadichte - eine Temperatur von rund 80 Millionen Grad Celsius. (Eingefärbtes Schwarz-Weiß-Foto). Bild: IPP

Das heiße Plasma muss von einem Magnetfeld eingeschlossen werden. In den meisten Anordnungen wird ein Teil dieses Feldes durch Ströme im Plasma erzeugt. In Greifswald kommt jedoch ein alternatives Konzept, ein sogenannter Stellarator, zum Einsatz, bei dem das Magnetfeld vollständig von außerhalb erzeugt wird. Zunächst war versucht worden, den Versuchsreaktor mit EU-Geldern und internationaler Beteiligung zu bauen. Schließlich wurde in Greifswald eine Niederlassung des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik gegründet.

Mit dem Institutsbau und den Vorarbeiten für den Reaktor wurde 1997 begonnen. Seit 2004 sind dort rund 480 Mitarbeiter mit dem Bau des Wendelstein 7-X beschäftigt. Die Kosten haben sich von den ursprünglich veranschlagten 500 Millionen Euro inzwischen mehr als verdoppelt, schrieb letztes Jahr das Springerblatt "Welt". (Man stelle sich mal kurz vor, was mit einer Milliarde Euro in der strukturschwachen Region alles hätte angestoßen werden können.)

Hinzu kommen Bedenken wegen der Sicherheit. Auch in einem Fusionsreaktor entsteht gefährliche Strahlung. Zum einen emittieren die Elektronen im Plasma Röntgenstrahlung, die jedoch relativ einfach abgeschirmt werden kann. Zum anderen werden Neutronen freigesetzt, die schon deutlich gefährlicher sind. Dies geschieht insbesondere dann, wenn als Arbeitsgas die Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium genommen werden. Deuterium hat neben dem Proton ein Neutron im Atomkern, Tritium zwei. Wenn zwei solcher Kerne zu einem Helium-Kern fusionieren, werden die Neutronen freigesetzt.

In Greifswald soll das allerdings nur im begrenzten Maße geschehen, hier will man zunächst nur normalen Wasserstoff nehmen, der keine Neutronen im Atomkern hat. Nur hin und wieder will man Versuche mit Deuterium unternehmen. Eine 1,8 Meter dicke Betonmauer soll die Neutronen einfangen und ein Entweichen in die Umwelt verhindern. Allerdings kann der Neutronenbeschuss in einigen Komponenten des verbauten Stahls zu radioaktiven Zerfallsprozessen führen. Laut Wikipedia wurden daher besondere Stahlsorten verwendet, um dieses Risiko zu minimieren.

Blick ins Innere des Stellarators. Bild: Gwurden/CC-BY-3.0

Der Bund für Umwelt und Naturschutz sprach 2012 allerdings davon, dass Beton und Stahl fehlerhaft zusammengesetzt seien. Außerdem gebe es Probleme mit der Abschirmung am Hallentor des Reaktors sowie an dessen Dach. Der BUND warf dem zuständigen Sozialministerium in Schwerin seinerzeit vor, um die Mängel zu wissen, aber die Sicherheit der Anlage erst im Betriebszustand überprüfen lassen zu wollen.

Laut Max-Planck-Institut hat nach diesen Vorwürfen ein unabhängiger Gutachter die Strahlenschutzberechnungen und die Konstruktion überprüft und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bestimmungen des Strahlenschutzes eingehalten werden. Nach Ansicht des Instituts wird die außerhalb des Reaktorgebäudes zu verzeichnende Strahlung "weit unter der natürlichen Hintergrundstrahlung" liegen. Ansonsten werde in den ersten Jahren nur mit leichtem Wasserstoff gearbeitet, sodass keine Neutronen freigesetzt werden können. Erst später wolle man Deuterium einsetzen.