Russland lehnt Bombardementstopp ab

Außenminister Lawrow appelliert an Amerikaner und Saudis, das HNC von neuen Vorbedingungen für die Syrien-Friedensgespräche abzubringen

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In Genf finden derzeit Gespräche statt, die den Krieg in Syrien beenden sollen - sie wurden nun vertagt, weil keine Einigkeit hergestellt werden konnte. Die Rebellenkoalition "High Negotiations Committee" (HNC) - "ein eigens für diese Konferenz durch Saudi Arabien gestricktes Oppositionsbündnis, das noch vor einem Monat kein Mensch kannte" - ist dazu zwar angereist, will aber nur dann verhandeln, wenn russische Lufteinsätze gestoppt werden (vgl. Genfer Gespräche III: "Reden ist besser als Krieg führen").

Das hat der russische Außenminister Außenminister Sergej Lawrow nun ausgeschlossen. Er verlautbarte auf einer Pressekonferenz bei einem Staatsbesuch im Oman, der Militäreinsatz werde "so lange weitergehen, bis terroristische Organisationen wie die al-Nusra-Front wirklich besiegt sind". Eine funktionierende Waffenruhe erfordert seinen Worten nach außerdem eine Blockade der "Schmuggelrouten über die türkisch-syrische Grenze, über die die Kämpfer Verstärkung bekommen".

Die neuen Vorbedingungen, die "launische Leute" jetzt stellten, haben Lawrow zufolge "mit den grundlegenden Prinzipien, dem Genfer Kommuniqué, den Dokumenten von Wien sowie der Resolution des UN-Sicherheitsrates nichts gemein" und sind seiner Ansicht nach nicht mit den früher getroffenen Abmachungen vereinbar. Deshalb rechnet er damit, "dass jene, die einen entscheidenden Einfluss auf die oppositionellen Kreise besitzen, ebenso verantwortungsvoll an ihre Funktion als internationale Akteure, an ihre Funktion zur Gewährleistung eines vorbedingungslosen Starts des innersyrischen Dialogs herangehen werden" wie Russland das bezüglich der syrischen Regierung gemacht habe, deren Delegation "ohne jegliche Probleme" nach Genf reiste. "Damit zu rechnen, dass Ultimaten die Probleme lösen helfen", sei "kurzsichtig und perspektivlos".

Syrische Armee will al-Nusra-Front von der Versorgung abschneiden

Die Meldung kam etwa zeitgleich mit der, dass ein Anführer der al-Nusra-Front bei einem syrischen Luftangriff im zwölf Kilometer von Aleppo entfernten Anadan getötet wurde. Dort versucht die syrische Armee mit Hilfe ihrer Verbündeten der al-Nusra-Front und deren Verbündeten von einer Straße in die Türkei abzuschneiden. Am Dienstag sollen dabei zwei strategische sehr wichtige Ortschaften, Nubul und Zahraa, zurückerobert worden sein.

Die al-Nusra-Front ist die syrische Filiale der Terrororganisation al-Qaida und gehört nicht zum Islamischen Staat (IS), auf den sich die Anti-Terror-Einsätze des von den USA angeführten Bündnisses beschränken. Einer unlängst erschienenen gemeinsamen Studie des Institute for the Study of War und des American Enterprise Institute nach ist die al-Nusra-Front aber langfristig eine "sehr viel größere" Gefahr für Europa weil sich die Gruppe von Anschlägen dort keineswegs verabschiedet hat, sondern aus taktischen Gründen auf eine Phase der Ruhe setzt, um sich in der von ihr und ihren Verbündeten fast vollständig kontrollierten Provinz Idlib und anderen Gebieten in Syrien eine Basis aufzubauen (vgl. Studie: Al-Nusra-Front langfristig gefährlicher als IS).

Die zu einem großen Teil aus kampferfahrenen Irakkriegsveteranen bestehende Gruppe ist eng mit anderen dschihadistischen Rebellen vernetzt und kontrolliert diese aufgrund ihrer militärischen Überlegenheit häufig faktisch. Charles Lister vom Combatting Terrorism Center (CZC) an der Militärakademie in West Point (der warnte, die al-Nusra-Front sei ein "Wolf im Schafspelz") glaubt, dass inzwischen fast alle bewaffneten Rebellengruppen in Syrien mit ihr militärisch zusammenarbeiten. Das gilt auch für die Dschaisch al-Islam, deren Anführer Mohammed Alloush eine wichtige Position beim HNC einnimmt und deren Vorläuferorganisation Liwa al-Islam 2013 am Adra-Massaker an Alawiten, Drusen und Christen beteiligt war.

Der republikanische Präsidentschaftsbewerber Tex Cruz, der am Montag die erste Vorwahl in Iowa gewann, lehnte deshalb 2013 eine US-Luftunterstützung syrischer Rebellen mit der Bemerkung ab, man mache sich damit effektiv zur Luftwaffe von al-Qaida. "Moderate Rebellen" im syrischen Bürgerkrieg sind für ihn wie lila Einhörner: Sie haben den Nachteil, dass es sie nicht wirklich gibt. Der Großteil seiner Mitbewerber ist da anderer Meinung und will nicht nur eine Flugverbotszone im von der al-Nusra-Front und ihren Verbündeten beherrschten Nordwesten Syriens einrichten, sondern dafür auch einen Krieg mit Russland riskieren (vgl. Moderate Rebellen und lila Einhörner und Sacharowa: Moskau unterstützt Syrien, nicht Assad).

Eine Regierung und zwei Oppositionen

Neben dem von den Saudis unterstützen HNC nimmt an den Gesprächen in Genf auch eine Delegation der oppositionellen "Volksfront für Wandel und Befreiung" teil, die von Russland und vom Iran unterstützt wird. Dass der syrischen Regierung gleich zwei Oppositionen gegenüberstehen, deutet einerseits darauf hin, dass es sich bei der seit 2011 andauernden Auseinandersetzung zumindest zum Teil tatsächlich um einen Stellvertreterkrieg handelt, dessen Beilegung auch in den Händen der Regionalmächte liegt. Andererseits verhindert man auch diese Weise auch eine Totalblockade der Prosaudis, weil man im Zweifelsfall zumindest mit einer Opposition eine Einigung verkünden kann.

Nicht am Verhandlungstisch vertreten ist die syrisch-kurdische PYD, deren YPG-Milizen von den USA mit Waffen und Munition beliefert und als wichtiger Verbündeter im Kampf gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) betrachtet werden. Gegen ihre Teilnahme hat die türkische Regierung ein Veto eingelegt, die die PYD wegen ihrer engen Verbindungen zur PKK als nicht gesprächsfähige Terroristen betrachtet. Tatsächlich ist die PYD zwar klar weniger gefährlich als der IS, aber auch nicht ganz unproblematisch - immerhin wirft Amnesty International ihren Milizen unter Berufung auf zahlreiche Zeugenaussagen Vertreibungen vor Arabern vor (vgl. Amnesty International wirft Kurden Vertreibung von Arabern vor).

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