Ablehnungsquoten wissenschaftlicher Journale

Prestigegeprange oder Indiz für Exzellenz?

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Je höher die Ablehnungsrate eines wissenschaftlichen Journals, desto exklusiver aus Sicht von Autoren das Privileg einer akzeptierten Einreichung. Und - so die Annahme - umso größer die Qualität der publizierenden Journale. Eine Untersuchung widerspricht nun dieser landläufigen Meinung und spielt in die Hände von Kritikern wie Prof. Gerhard Fröhlich von der Universität Linz, der Ablehnungsquoten als reinen Prestigeschmuck ansieht.

Die American Psychological Association (APA) berichtet für das Jahr 2013 eine Ablehnungsquote von satten 98 % für das Journal The Counseling Psychologist. Realistisch betrachtet birgt die Einreichung eines Artikelvorschlags in einem solchen Journal ein immens hohes Risiko der Ablehnung inklusive des zu berücksichtigenden Zeitverlustes für Peer Review und Mitteilung der Herausgeberentscheidung über die Einreichung. Dieser kann mithin zwischen sechs bis zwölf Monaten oder länger betragen.

Was aber treibt Wissenschaftler an, eine Einreichung in einem solchen Journal vorzunehmen? Vermutlich am ehesten der Sensationseffekt im Falle der Annahme und das Gefühl, eine publizistische Trophäe erbeutet zu haben. Die Passion für derartige Coups ist sicher auch dem harten Existenzkampf weit überwiegend befristet arbeitender Wissenschaftler geschuldet, die derartige Erfolge dringend brauchen, um für zukünftige Bewerbungsverfahren attraktiv zu bleiben (Prekäre Arbeitsbedingungen an deutschen Hochschulen).

Schon in Zeiten des reinen Print-Publizierens, als der Platz in einem wissenschaftlichen Journal physisch begrenzt war, waren hohe Ablehnungsquoten wohl kein Indikator für die Qualität eines Journals, sondern eher Ausdruck eines Missverhältnisses zwischen Einreichungen und Journaldicke oder einer quantitativen Unausgewogenheit von aktiv publizierenden Wissenschaftlern eines Fachs und der Zahl für sie inhaltlich interessanter Journale. Genau genommen ist schon alleine die Fixierung auf den festen Umfang eines Zeitschriftenheftes, gemessen in der Zahl der Artikel pro Heft, fragwürdig: Warum eigentlich sollte ein Heft derselben Zeitschrift beispielsweise immer genau zwischen sechs oder acht Artikeln umfassen, wenn im vergangenen Einreichungszeitraum zehn oder umgekehrt nur zwei wirklich publikationswürdige Artikelvorschläge eingingen? Gerade in Zeiten des Online-Publizierens sind fixe Heftdicken einigermaßen antiquiert - womit auch die Wahrnehmung, die aus den Zeiten der Print-Publikationen rührenden Ablehnungsquoten seien Ausdruck von Qualität und Exzellenz, hinfällig sein sollte.

Dass hohe Ablehnungsquoten womöglich eher Ausdruck der beschriebenen Fehlallokation auf dem wissenschaftlichen Publikationsmarkt und einer überdrehten Aufmerksamkeitsökonomie der Wissenschaft sind, belegt nun die Studie Selecting for impact: new data debunks old beliefs von Pascal Rocha da Silva. Er prüfte anhand von 570 randomisiert aus der Datenbank Journal Citation Reports ausgewählten Journalen inwiefern deren Ablehnungsquoten und ihr Journal Impact Factor (JIF) korrelierten. Der JIF gilt zwar als umstrittenen, wird aber weithin als Indikator für die Prominenz oder gar Qualität eines Journals angesehenen. Der Autor bilanziert: "There is absolutely no correlation between rejection rates and impact factor", so dass die Annahme, eine hohe Ablehnungsquote führe zu Qualität oder Exzellenz eines Journals als Aberglaube entlarvt ist. Im Sample finden sich zwar tatsächlich Journale, bei denen hohe Ablehnungsquoten und hoher JIF-Score zusammentreffen, allerdings auch genug Zeitschriften, bei denen hohe Ablehnungsquoten und geringer JIF oder geringe Ablehnungsquoten und hoher JIF auftreten, um eine Korrelation zwischen Quoten und JIF-Werte zunichte zu machen.

Für das Zusammentreffen der Merkmale hoher JIF und hohe Ablehnungsquote gibt es verschiedene Erklärungen: Zum einen dürften Journale, die bereits seit längerem mit hohem JIF-Wert gesegnet sind, der Aufmerksamkeitsökonomie der Wissenschaft folgend, zusehends mehr Einreichungen erfahren und ablehnen, wohingegen die Zunahme der Einreichungen und Ablehnungen bei JIF-Aufsteigern erst wachsen wird. So ließe sich auch das häufige Auftreten der Kombination hoher JIF-Wert mit niedriger Ablehnungsquote erklären. Zudem sind zahlreiche der High-Impact-Journale (z.B. Nature und Science) sehr interdisziplinär und nahezu dem General-Interest-Segment zuzurechnen, was zum einen zu hohem JIF-Score und zugleich zu hohen Einreichungszahlen sowie Ablehnungsquoten führt.

Leider berücksichtigt die Studie nicht, dass die JIF-Werte der Journale je Disziplin differieren, sie fallen in Naturwissenschaft und Medizin traditionell höher aus als in den Sozial- und Geisteswissenschaften - unter anderem, da der JIF nur Zitate aus ausgewählten Journalen auswertet, in Sozial- und Geisteswissenschaften aber Journalartikel nicht der allein vorherrschende Publikationstyp sind und mit Buchbeiträgen und Büchern konkurrieren. Folglich kann ein Soziologie-Journal mit einem für dieses Fach hohen JIF-Wert und niedriger Ablehnungsquote in der Studie den Journalen mit geringem Impact Factor zugeordnet sein und die Fallzahlen der Kombination niedriger JIF-Score gepaart mit niedriger Ablehnungsquote fälschlicherweise erhöhen. Dennoch bleibt der Fakt bestehen, dass im Sample der Studie Journale ohne hohe Rejection Rates JIF-Scores im 90er Perzentil aufweisen können.

Fraglich bleibt letztlich, ob Pascal Rocha da Silvas Befunde etwas am Faible der Wissenschaft für Sensationen (Wissenschaftliche Artikel: Kampf um Aufmerksamkeit) ändern werden, zumal dieses sicher auch individuellen materiellen Zwängen geschuldet ist und die Vermarktung in der Wissenschaft zusehend wichtiger wird.