Die Saudis rüsten zur letzten Schlacht

Riad. Bild: BroadArrow/CC-BY-SA-3.0

Riad befindet sich in einer Zwickmühle: Einen direkten militärischen Konflikt mit Teheran kann es keinesfalls riskieren, aber Frieden ist auch keine Option. So droht eine Ausweitung der Stellvertreterkriege

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Seitdem die saudische Führung die Hinrichtung des schiitischen Geistlichen al-Nimr und 46 weiterer Personen am 2. Januar angeordnet hat, stehen die Zeichen zwischen den regionalen Rivalen Riad und Teheran auf Eskalation (Nach den saudischen Hinrichtungen: Der Nahe Osten im Eskalationsmodus). Der Erstürmung der saudischen Botschaft durch wütende Demonstranten folgte die Einstellung der diplomatischen und Handelsbeziehungen durch die Saudis. Möglicherweise war dies ein letzter Versuch, die Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran und damit einen Erfolg des "Atomabkommens" zu verhindern - wenn ja, dann ist er gescheitert.

Doch die Konfrontation dauert an, gerade im Hinblick auf den syrischen Bürgerkrieg: Nicht nur läuft die Propagandaschlacht weiter auf Hochtouren, zuletzt mit dem Fokus auf hungernde Zivilisten in belagerten Orten. Riad hat auch über seine Stellvertreter vom eigens gegründeten neuen Oppositionsbündnis High Negotiations Committee (HNC) dafür gesorgt, dass die jüngsten Gespräche zwischen syrischer Regierung und Rebellen in Genf nach sechs Tagen ergebnislos abgebrochen und bis Ende Februar vertagt wurden. Offenbar hofft man trotz des Vorrückens der Regierungsarmee weiterhin auf eine Wende im Kriegsgeschehen, die jedoch ohne eine Eskalation der latenten Spannungen zwischen Russland und dem Westen kaum zu erwarten ist.

Krieg wäre Selbstmord

Doch auch wenn nicht wenige Kommentatoren derzeit über diese Möglichkeit spekulieren: Eine unmittelbare militärische Konfrontation zwischen Saudi-Arabien und Iran, mithin einen direkten Krieg um die Vorherrschaft in der Golfregion, wird es nicht geben. Der Grund ist einfach - Riad hätte nicht die geringste Chance, ein Waffengang käme für das Königreich einem Selbstmord gleich. Sicherlich haben die Saudis nach Jahren massivster Aufrüstung auf dem Papier die stärkere Armee mit den moderneren Waffen, und auch die Wirtschaftsleistung war in den letzten Jahren dank Ölreichtum deutlich höher.

Doch verfügt Irans Militär nicht nur über mehr praktische Erfahrung und besser ausgebildete Offiziere, sondern ist dem der Saudis dank Identifikation mit der Bevölkerung auch in punkto Motivation deutlich überlegen. Riads Soldaten kämpfen für Geld, Teherans hingegen für die Abwehr einer durchaus realen äußeren Bedrohung ihres Landes.

Auch die größere strategische Tiefe spricht für den Iran: Zuverlässige regionale Alliierte und Verbündete auf globaler Ebene machen einen Angriff auf das Land zum unkalkulierbaren strategischen Risiko mit Folgen weit über die Golfregion hinaus. Und nicht zuletzt besteht eine erhebliche Gefahr, dass es im Kriegsfall aufgrund iranischer Einflussnahme oder allgemeiner Unzufriedenheit innerhalb Saudi-Arabiens zum Bürgerkrieg kommen würde.

US-Außenminister mit dem saudischen Außenminister am 23. Januar in Riad. Bild: state.gov

Wachsender Druck von innen und außen

Die saudische Führung steht innen- wie außenpolitisch bereits jetzt unter starkem Druck. In Syrien und dem Irak befinden sich ihre Stellvertreter seit dem Eingreifen Russlands und dem Fall von Ramadi in der Defensive, und auch der eigene Krieg im Jemen kommt nicht von der Stelle. Das Abkommen mit dem Iran konnte Riad trotz intensiver Bemühungen nicht verhindern; nun muss es zusehen, wie Teheran politisch auf die Weltbühne zurückkehrt und mit Ost und West weitreichende Wirtschaftskooperationen vereinbart.

Der drastische Fall des Ölpreises seit Sommer 2014 hat im letzten Jahr zu einem Defizit von etwa 100 Milliarden Dollar im Staatshaushalt geführt, und auch wenn bei immer noch über 600 Milliarden an Devisenreserven so bald keine Staatspleite zu befürchten ist, hat die Regierung doch reagiert und die Subventionierung von Energie und Wasser reduziert. Ein Tropfen auf den heißen Stein - und neben mangelnden Zukunftsperspektiven für junge Menschen und außenpolitischen Misserfolgen ein weiterer Grund für Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die ein Ventil sucht.

Gleichzeitig wird die außenpolitische Situation für das Königreich zunehmend schwieriger. Spätestens seitdem die mediale Kritik im Spätsommer deutlich zugenommen hat, ist die saudische Unterstützung für radikale Islamisten ebenso ein offenes Geheimnis wie seine Völkerrechtsverbrechen im Jemen. Anfang Dezember goss eine vom deutschen Auslandsgeheimdienst BND an die Presse lancierte äußerst kritische Analyse von Riads Außenpolitik noch einmal Öl ins Feuer.

Die Anwürfe aus dem Ausland sind umso verstörender für die Herrscherfamilie, als sie bislang aufgrund ihrer strategischen Bedeutung von öffentlicher Kritik weitestgehend verschont blieb - was wohl auch Überreaktionen wie im Fall der schwedischen Außenministerin Wallström erklärt, die es gewagt hatte, die Auspeitschung eines Bloggers und die Situation von Frauen in Saudi-Arabien zu kritisieren. Riad ist sich der Tatsache vollkommen bewusst, dass sich viele bisherige Partner langsam aber sicher abwenden und nach der Aufhebung der Sanktionen die Kooperation mit Teheran für zukunftsträchtiger halten. Die Zeit spielt für den Iran, der dank besserer wirtschaftlicher Entwicklungsperspektive und größerer politisch-kultureller Ausstrahlung immer mehr Verbündete findet.