Tunesien will sich mit einem Wall vor IS-Terroristen aus Libyen schützen

Das Land reiht sich in die wachsende Reihe der "gated nations" ein, die Zäune und Mauern bauen

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Derzeit wird überall der Bau von Mauern und die Vorstellung von gated nations zum Fantasma, wie Sicherheit zu bewerkstelligen ist und unerwünschte Besucher ferngehalten werden können. Damit kehrt sich der Zweck der realkommunistischen Mauer mit Schießbefehl, mit der die Bewohner an der Flucht gehindert werden sollen, um. Die einstigen Stadtmauern, mit denen seit Beginn der Städte nicht nur der Zutritt kontrolliert werden, sondern auch Angreifer abgewehrt werden sollten, werden nun wie in Israel um ganze Länder gebaut, die sich abriegeln.

Was bislang in der Vergangenheit nur in China möglich war, wo die allerdings über Jahrhunderte gebaute, über 21.000 km lange Grenze im Norden vor Reitervölkern schützen sollte, wird nun durch die moderne Technik für ganze Länder möglich. Ähnlich wie neue Waffen in Kriegen getestet und für Interesssenten vorgeführt werden, wird nun auch zu einem Exportprodukt, der zudem die modernste Überwachungstechnik einschließt und letztlich zu einer Barriere führt, die automatisch mit autonomen Robotsystemen überwacht und gesichert wird.

Saudi-Arabien hat sich an den Landgrenzen ebenso wie Israel weitgehend durch Grenzsperren abgesichert, einen der längsten Zäune haben die USA für 20 Milliarden US-Dollar und mäßigem Erfolg an der Grenze zu Mexiko gebaut. In Europa haben Spanien in Ceuta und Melilla, Bulgarien, Ungarn, Mazedonien, Slowenien und Griechenland bereits Grenzzäune errichtet. Durch den Grenzzaun an der griechisch-türkischen Grenze wurde zwar die Einwanderung über Land weitgehend gestoppt, dafür hat sich die Migration von der türkischen Küste auf die nahe gelegenen Ägäisinseln verlagert. Man darf davon ausgehen, dass diese Folge nicht bedacht worden war. Auch die Türkei errichtet einen Grenzzaun, nicht am Mittelmeer, das wäre auch für den Tourismus nicht schön, aber an der Grenze zu Syrien, vor allem dort, wo die syrischen Kurden Gebiete kontrollieren.

Nun hat sich auch Tunesien den sich mehrenden gated nations angeschlossen und zumindest den ersten Abschnitt eines bislang fast 200 km langen Grenzabschnitts zu Libyen mit einer mehrere Meter hohen Mauer und einem davor gelegenen Graben (système d’obstacles) errichtet. Das den Mitteln des armen Landes angepasste Bauprojekt entstand letztes Jahr, nachdem im Sommer zwei IS-Terroristen 59 Touristen in Tunis und Sousse getötet hatten. Abgehalten werden können mit der Sandmauer allerdings nur Fahrzeuge. Wie stabil die Sandmauer ist, die 150 Millionen Dinar (66 Millionen Euro) gekostet hat, steht auch in Frage.

Karte: CIA

Grenzsperre für arme Länder

Der tunesische Verteidigungsminister Farhat Hachani eröffnete bzw. verschloss am Samstag die Mauer zwischen Dhihba und Ras Jedir, die es Terroristen zumindest schwerer machen soll, aus dem zerrissenen failed state Libyen, wo sich der "Islamische Staat" zur Zeit ausbreitet und es weiterhin zwei Regierungen gibt, die sich nicht einigen können, nach Tunesien zu gelangen. Die Attentäter sollen in Terrorcamps in Libyen ausgebildet worden sein. Über die Grenze werden auch Waffen und Drogen geschmuggelt. Zudem ist Tunesien eines der Länder, in denen der IS und al-Qaida am meisten Mitstreiter rekrutieren können. Mehr als 3000 haben sich nach Libyen, Syrien und Irak abgesetzt, um dort mit den Islamisten zu kämpfen.

Allerdings ist die Grenze zwischen den beiden Ländern 450 km lang, es wird also nur ein Teil bislang abgeschlossen. Verhindern lässt sich damit eine Infiltration allerdings kaum. Was noch fehlt, sind daher elektronische Überwachungssysteme mit Kameras und Radar, um Verdächtige aufspüren zu können, erklärte der Minister. Nach Horchani sollen bald amerikanische und deutsche Soldaten und Techniker nach Tunesien kommen, um ein solches elektronisches Überwachungssystem an der Grenze zu installieren. Von der Leyen hatte Tunesien letzten Jahr eine engere Militärkooperation und Unterstützung bei der Grenzsicherung zugesagt.

Der Wall könnte auch gut zu gebrauchen sein, falls nach einer UN-Resolution in Libyen interveniert wird, um dort die Ausbreitung des IS zu verhindern. Das könnte zu Flüchtlingsströmen und Absatzbewegungen von IS-Kämpfern nach Tunesien führen. Angedacht ist nach der bislang nicht erreichten Bildung einer Einheitsregierung in Libyen eine internationale Intervention, über deren Folgen man sich auch in Tunesien Gedanken macht. Die nationale Einheitsregierung müsste um militärischen Beistand gegen den IS bitten und so eine UN-Resolution für eine Intervention zustande bringen. Offenbar überlegt auch Deutschland, Verteidigungsministerin von der Leyen deutete ähnliches an, eine Teilnahme. In den USA soll sich das Pentagon bereits auf eine Intervention vorbereiten, womöglich auch ohne UN-Resolution.