Russisches Außenministerium soll Verträge mit Türkei überprüfen

Die im Vertrag von von Sèvres vorgesehenen Grenzen. Karte: Don-kun. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Abgeordnete fordern, dass das Grenzabkommen von 1921 gekündigt wird

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Die KP-Abgeordneten Waleri Raschkin and Sergei Obuchow haben das russische Außenministerium mit Unterstützung der sozialdemokratischen Gerechtes-Russland-Fraktion dazu aufgefordert, den am 16. März 1921 zwischen der Regierung des damaligen Sowjetrussland und der Großen Nationalversammlung der Türkei geschlossenen Vertrag von Moskau zu kündigen. Das berichtet die Tageszeitung Iswestija, der der Brief der beiden Abgeordneten vorliegt.

Die Initiative zum Vertrag von Moskau ging von Mustafa Kemal Pascha (Atatürk) aus, der im Herbst 1920 die von den Ententemächten im Vertrag von Sèvres am 10. August 1920 Armenien zugedachten Regionen Kars, Ardahan, Artvin, Iğdır und Batumi erobert hatte. Der damalige armenische Außenminister Alexander Chatissjan musste diese Gebietsverluste bereits mit dem Friedensvertrag von Alexandropol am 2. Dezember 1920 akzeptieren.

Atatürk wollte jedoch auch einen Vertrag mit Sowjetrussland und akzeptierte dafür, dass die von 1878 bis 1918 zum Zarenreich gehörige Hafenstadt Batumi (in der damals ein Viertel Armenier, ein Fünftel Griechen, 17 Prozent Georgier, 11 Prozent Russen, 8 Prozent Türken und sechs Prozent Juden lebten) an Georgien ging. Im Freundschaftsvertrag von Kars, der am 21. Oktober 1921 folgte, einigten sich Türken, Russen, Armenier, Georgier und Aserbaidschaner außerdem darauf, dass das 1928 von Russland eroberte ehemalige Khanat Nachitschewan der aserbaidschanischen Sowjetrepublik als Exklave zugeschlagen wird.

Die Sowjetunion existierte damals noch nicht, sie wurde erst am 30. Dezember 1922 ins Leben gerufen. Die türkische Republik gründete sich am 29. Oktober 1923. Ihre Grenzen erkannten Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Griechenland, Rumänien und der SHS-Staat (das spätere Jugoslawien) bereits im Vertrag von Lausanne an, der am 24. Juli 1923 unterzeichnet wurde. Ende der 1930er Jahre trat Frankreich noch die syrische Provinz Hatay an die Türkei ab, um das Land von einem Bündnis mit dem Deutschen Reich abzubringen.

Obuchow sagte Iswestija außerdem, dass man in Betracht ziehen solle, alle Verträge mit der Türkei zu überprüfen, die nachteilig für Russland "oder für seine Verbündeten" sind. Damit könnten sowohl Armenier gemeint sein, als auch Kurden, die nach dem Ersten Weltkrieg keinen eigenen Staat bekamen und mit denen im Syrienkrieg aktuell sowohl Amerikaner als auch Russen kooperieren. Die Türkei will dagegen verhindern, dass die eng mit der türkisch-kurdischen PKK verflochtene syrische Kurdenpartei PYD im Norden Syriens einen eigenen Staat oder eine autonome Region etabliert, die fast die gesamte türkisch-syrische Grenze abdecken könnte.

Würde Russland die Grenzziehungen von damals durch Vertragskündigungen in Frage stellen, dann könnte es zwar kaum selbst Gebietsansprüche auf Batumi, Nachitschewan oder andere Gebiete anmelden, aber die Positionen von Kurden und Armenier stärken, damit die Türkei diplomatische Zugeständnisse hinsichtlich einer syrisch-kurdischen Autonomie oder eines Anerkenntnisses der armenischen Kontrolle von Bergkarabch macht (vgl. Bergkarabach wählt, Aserbaidschan droht).

Ob es so weit kommt, ist allerdings fraglich, weil in der Duma weder Sozialdemokraten noch Kommunisten eine Mehrheit haben. Das dürfte auch den Initiatoren der Initiative bewusst sein: Mit ihr, so Obuchow, solle Ankara gezeigt werden, was eine Eskalation des nach dem Abschuss eines russischen Militärflugzeugs im syrisch-türkischen Grenzgebiets ausgebrochenen Konflikts für Risiken mit sich bringen könnte. Nur das bringe die türkische Regierung auf den Boden der Tatsachen zurück und verhindere mögliche neue "Provokationen".

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