Saudi-Arabien sieht sich führend im Kampf gegen den Terrorismus

Gerade wurde durch saudische Luftangriffe die Altstadt von Kawkaban im Nordosten des Landes zerstört. Bild: News of Yemen

Im Schatten des im Westen wieder aufgeblühten Gut-und-Böse-Dualismus gegen Russland baut die fundamentalistische Monarchie eine eigene Antiterror-Koalition auf und führt einen grausamen Krieg im Jemen

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Das ist erfreulich zu hören. Saudi-Arabien, das Land, das den Salafismus weltweit fördert, der dem fundamentalistischen sunnitischen Islamismus und Terrorismus zugrundeliegt, betont, an der Spitze im Kampf gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat zu stehen.

Man wird sich erinnern, dass Saudi-Arabien in Kooperation mit der CIA und dem pakistanischen Geheimdienst Bin Ladens al-Qaida mit aufbaute sowie die Taliban finanziell und ideologisch-religiös förderte. Das Islamische Emirat Afghanistan, also der Taliban-Staat, wurde von Saudi-Arabien offiziell diplomatisch anerkannt, zusammen mit Pakistan und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

In der wieder einmal manichäisch aufgeladenen Stimmung, in der Russland in Syrien erneut dämonisiert wird, während man die Folgen der schon lange vor den Russen begonnenen Luftangriffe der US-geführten Anti-IS-Allianz (Bericht: Hunderte von Zivilisten bei Luftschlägen in Syrien und im Irak getötet) ebenso vergisst wie man die radikalislamischen Kräfte unter den "moderaten" Rebellen im Eifer der Entrüstung über das Böse gerne übersieht. Sollten die Russen für die Angriffe auf Krankenhäuser und Schulen verantwortlich sein, die 50 Menschen getötet haben, dann ist dies ebenso ein Kriegsverbrechen wie die Bombardierung von Krankenhäusern durch Saudi-Arabien im Jemen (Über 23.000 US-Bomben in 6 muslimischen Ländern in 2015) oder des MSF-Krankenhauses in Kundus durch die US-Streitkräfte (Krankenhaus Kunduz: Töten auf Zuruf). Aber da ist die Aufregung, wenn überhaupt vorhanden, doch geringer.

Gerade wurde durch saudische Luftangriffe die Altstadt von Kawkaban im Nordosten des Landes zerstört. Bild: News of Yemen

Die einfache Logik ist bekannt: Der Feind des Feindes wird zum Freund, zumindest zum Alliierten. Vergessen wird der Krieg der Türkei gegen die Kurden im Südosten des Landes, wo Städte schon so zerstört wurden wie in Syrien, aber auch der türkische Artilleriebeschuss von Dörfern in Syrien bei Azaz. Und vergessen wird schon länger der Krieg der von Saudi-Arabien geführten Allianz im Jemen, bei dem massenhaft Zivilisten zum Opfer und ebenfalls Krankenhäuser (Saudis bombardieren Krankenhaus und Marktplatz im Jemen) beschossen werden. Im Kampf gegen die Schiiten lässt man hingegen al-Qaida und den Islamischen Staat, die sich im Windschatten des Kriegs ausbreiten, in Ruhe.

Saudi-Arabien also, die fundamentalislamische Monarchie, die wie der Islamische Staat köpft und kreuzigt, Islamisten wie in Syrien Ahrar al-Scham, die Islamische Front oder die mit al-Nusra kooperierende Dschaisch-al-Fatah unterstützt, solange sie dem Regime und dessen archaischem Islam nutzen, stellt sich an die Spitze des Kampfs gegen den Islamischen Staat. König Salman, der "Wächter der zwei heiligen Moscheen", ließ in einer von ihm geleiteten Kabinettssitzung der Nato danken, dass deren Verteidigungsminister die führende Rolle Saudi-Arabiens im Kampf gegen den IS "lobten" (und vermutlich über Jemen schwiegen). Ebenso sei von der Nato begrüßt worden, dass Saudi-Arabien die führende Kraft ist, um eine globale Allianz gegen den Terrorismus zu bilden, an deren Spitze der IS steht.

Al-Nusra-Kämpfer, angeblich in Latakia. Bild: al-Nusra

Wenn man wissen will, wie Propaganda funktioniert, kann man auch einen Blick auf den Alliierten der USA und EU werfen. Die staatliche Nachrichtenagentur stellt über Zeitungsbeiträge heraus, dass die saudische Monarchie alle diplomatischen, sicherheitspolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Anstrengungen anführt, die Krisen in der Region zu lösen. Man sei auch die "wichtigste regional einflussreiche Partei bei der Heilung der Spannungen innerhalb von Syrien und dem Jemen". Zudem wird eine Verbindung mit dem bislang größten Manöver, an dem 20 islamische Staaten teilnehmen, und der Absicht der "militärischen Intervention zur Bekämpfung der IS-Organisation" hergestellt.

Die seit Sonntag stattfindenden Raad Al-Shamal-Manöver (Donner des Nordens) mit Boden-, Luft- und Seestreitkräften im Nordosten des Landes würden die "klare Botschaft" aussenden, dass Saudi-Arabien mit seinen sunnitischen Alliierten - der neuen "Antiterrorismus-Koalition" - gemeinsam für Frieden und Stabilität eintreten. Die Demonstration der militärischen Geschlossenheit der 5 Länder des Golf-Kooperationsrats sowie Tschad, Sudan, Ägypten, Jordanien, Malaysia, Marokko, Pakistan, Senegal, Tunesien und kleinere Länder wie Mauritius erfolgt gegen die konkurrierenden Regionalmacht Iran, aber auch gegen deren Verbündete Syrien, Irak und Russland.

Die neue Koalition bedeutet aber auch, dass Saudi-Arabien gewillt ist - oder damit droht, auch gegen die USA eigene geopolitische Interessen militärisch durchzusetzen. Darin gleicht Saudi-Arabien der Türkei, die ebenfalls den Führungsanspruch der USA herausfordert und gleichzeitig im Schutz der Bündnispflicht der Nato militärisch ein gefährliches Spiel in Syrien und gegen Russland betreibt. Zeitgleich mit dem Manöver werden weitere saudische Kampfflugzeuge auf den türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik verlegt, wo u.a. auch US-amerikanische und deutsche Militärmaschinen stationiert sind.