Europol gegen "Krieg in den Städten"

Europol-Zentrale in Den Haag. Bild: Europol

Die EU-Polizeiagentur unterstützt vor allem digitale Ermittlungen bei terroristischen Anschlägen. Ein neues Zentrum soll nun die Kontrolle des Internet erleichtern

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Europol-Vizedirektor Wil van Gemert hat die jüngsten Anschläge in Paris als ersten Ausdruck eines "Kriegs in den Städten" ("first urban warfare") in Europa bezeichnet. Auf einer Konferenz in Dublin erklärte Germert, islamistische Attentäter würden zunehmend militärische Taktiken nutzen und dabei wie Spezialkräfte agieren. Die internationale Planung und Ausführung der Angriffe erfordere mehr Zusammenarbeit europäischer Sicherheitsbehörden.

Die Polizeiagentur Europol in Den Haag soll deshalb zum Anti-Terrorzentrum ausgebaut werden. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf digitalen Ermittlungen. Polizeien und Geheimdienste könnten laut Germert von "Big Data" profitieren: 2,9 Milliarden NutzerInnen seien mit 20 Milliarden Geräten im Internet unterwegs. 90% aller in der EU anfallenden digitalen Daten seien allein in den letzten 2 Jahren produziert worden.

Ein weiteres Problem sieht der Europol-Vize in der Geschwindigkeit des Internet. Pressemitteilungen der Polizei kämen häufig zu spät, da bereits zahlreiche Informationen in Sozialen Netzwerken zu finden sind. 15 Minuten nach den Anschlägen in Paris kursierten demnach bereits 7.500 Tweets mit dem Hashtag #ParisBurning. 50.000 Twitter-Accounts von ISIS-UnterstützerInnen produzierten laut Germert täglich 110.000 Tweets, zu deren Verfolgung die Behörden kaum in der Lage seien.

Internetkontrolle nach niederländischem Vorbild

Vor seiner Karriere bei Europol leitete Germert eine polizeiliche Sondereinheit zur Bekämpfung öffentlicher Unruhen in den Niederlanden. Später übernahm er die Leitung des nationalen Geheimdienstes AVID, 2012 wurde er zum Chef des Nationalen Cybersicherheitszentrums ernannt. 2014 wechselte er zu Europol und kümmerte sich zunächst um den Aufbau des vor drei Jahren eröffneten "Zentrums zur Bekämpfung der Cyberkriminalität" (EC3).

Der Europol-Vize ist auch Leiter der dortigen Abteilung "Operationen". Unter ihrem Dach ist die "Meldestelle für Internetinhalte" angesiedelt, für deren Aufbau Germert maßgeblich verantwortlich war. Die im Juli vergangenen Jahres bei Europol gestartete Einheit ist ein Nachfolger des Projekts "European Joint Initiative on Internet and Counter Terrorism" (EJI-ICT), das beim niederländischen Ministerium für Sicherheit und Justiz angesiedelt ist und zuvor ebenfalls von Germert betreut wurde.

Die "Meldestelle" bei Europol soll "extremistische" Internetinhalte aufspüren und bei Verdacht an die jeweiligen Provider melden. Anbieter von Sozialen Medien, darunter Twitter, Youtube oder Facebook, sollen diese dann entfernen. Insgesamt sind laut Germert bereits 2.000 solcher Meldungen an die Diensteanbieter ergangen, zu 88% seien diese dann gelöscht worden.

Die Zusammenarbeit mit den privaten Firmen soll nun ausgebaut werden. Nach den Anschlägen in Belgien und Paris hatten die französischen Behörden vergangenes Jahr ermittelt, welche Videos die Attentäter zuvor angesehen und sich damit womöglich "radikalisiert" hatten. Einige dieser Filme wurden daraufhin ebenfalls gelöscht.