Australien: Kernkraftwerke unrentabel, kommerzielles Endlager gutes Geschäft

Kommission stellt die vorläufigen Ergebnisse ihres Berichts vor

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Im letzten Jahr beauftragte der südaustralische Regionalregierungschef Jay Weatherill mit dem Segen des damaligen australischen Premierministers Tony Abbott eine Kommission damit, potenzielle Standorte für Kernkraftwerke und Endlager zu besichtigen, mit Bürgern zu diskutieren und Chancen und Risiken der Kernenergienutzung abzuwägen (vgl. Atommüll-Endlager als Geschäftsmodell). Kevin Scarce, der Leiter dieser Kommission, hat nun auf einer Pressekonferenz die vorläufigen Ergebnisse dieser Untersuchung vorgestellt - der fertige Bericht soll im Mai erscheinen.

Die Befragungen und Berechnungen der Kommission ergaben, dass der Einsatz von Kernkraft in Australien zumindest bis 2030 kein wirtschaftlicher Weg sein wird, um Emissionsverringerungsziele zu erreichen. Dabei berücksichtigte man die derzeitige Struktur und die voraussichtliche Entwicklung der Energieerzeugung auf der Welt und kam zum Ergebnis, dass die Nachfrage nach Uran und mit ihr wahrscheinlich auch der Weltmarktpreis in absehbarer Zukunft steigen werden.

Ökonomisch ganz anders schätzt die Kommission die Möglichkeiten kommerzieller Atommüll-Endlager in Südaustralien ein: Unter Berücksichtigung der wachsenden Menge von weltweit 390.000 Tonnen abgebrannter Brennstäbe und weiteren 9,9 Millionen Kubikmetern anderen Strahlungsmülls sowie angesichts der Tatsache, dass viele Ländern noch keine Lösungen für das Problem der Endlagerung gefunden haben, sieht man einen steigenden Bedarf nach kommerziellen Endlagern. Auf Hundert Jahre gerechnet könnten dabei 257 Milliarden AU$ verdient werden.

Diese Schätzung ist Scarce zufolge "sehr konservativ" und er glaubt, dass sich tatsächlich höhere Einnahmen erzielen lassen. Wegen der sehr langfristigen Risiken sollten solche Endlager seiner Meinung nach aber nicht von Privatfirmen, sondern vom Staat eingerichtet und betrieben werden. Die Kosten für Bewachung und für speziell gesicherte Häfen und Eisenbahnstrecken hat seine Kommission in die 145 Milliarden AU$-Kosten mit eingerechnet. Der Bau des Endlagers würde dem vorläufigen Bericht nach etwa 1.500 Australiern durchschnittlich 25 Jahre lang einen Vollerwerbs-Arbeitsplatz sichern; der dauerhafte Betrieb soll 600 Personen einen Job bieten.

Damit auch nach Regierungswechseln Investitionssicherheit besteht, müssten sich die beiden großen australischen Parteien auf das Vorhaben einigen. Das dürfte unter anderem deshalb nicht leicht werden, weil die Labour Party in dieser Frage zerstritten ist: Während der südaustralische Regionalregierungschef Weatherill das Endlagervorhaben prüfen ließ, beschloss beispielsweise der Labour-Verband im Bundesstaat Queensland ein Verbot von Uranminen.

In dem Bericht nicht berücksichtigt wurde die Möglichkeit, dass man den Atommüll nicht ewig lagern muss, sondern mit IFR-Reaktoren wiederverwerten kann. Funktioniert diese Technologie einmal so, wie sie sich ihre Befürworter vorstellen, dann ließe sich damit nicht nur Strom erzeugen, sondern auch die gefährliche Strahlungszeit deutlich verringern. Allerdings müssen auch IFR-Befürworter wie Ben Heard von ThinkClimate Consulting einräumen, dass ein entsprechendes Funktionieren der Reaktoren zwar "glaubhaft", aber "noch keine abgemachte Sache" ist.

Kritiker befürchten außerdem, dass es Sicherheitsprobleme geben könnte. Dem halten IFR-Fürsprecher entgegen, dass in Australien weder schwere Erdbeben noch Tsunamis wahrscheinlich sind. Außerdem sei der IFR-Reaktor - anders als Leicht- und Druckwasserreaktoren - so konzipiert, dass er sich selbst zurückfährt, wenn Strom und Bedienpersonal ausfallen.

Südaustralien. Karte: TUBS. Lizenz.

Außer in Australien gab es in der Vergangenheit auch in Russland Diskussionen über eine kommerzielle Aufnahme von ausländischem Atommüll. Dort plant man das erste Endlager jedoch nicht in wenig besiedelten Gebieten in Sibirien, sondern in Sosnowy Bor am finnischen Meerbusen. Die finnische Strahlensicherheitsbehörde STUK sah das 2012 gelassen - auch Finnland will seinen Atommüll in Granitgestein an der Ostsee dauerlagern.

China erforscht seit den 1980er Jahren Standorte in der weitgehenden menschenleeren Wüste Gobi und der Provinz Gansu. Eine Entscheidung über ein Endlager soll erst 2020 fallen. In den USA gibt es bislang lediglich Endlager für schwach radioaktive Abfälle. Pläne für ein Brennstab-Dauerdepot in Yucca Mountain im Wüstenstaat Nevada wurden 2012 begraben. Nun setzt man auf das Waste Isolation Pilot Plant (WIPP) in New Mexico.

Die vermeintlich eleganteste Lösung, sich lang strahlenden Mülls zu entledigen, ist immer noch unwirtschaftlich: Raketenstarts in den Weltraum kosten sehr viel Geld und sind darüber hinaus auch nicht ganz ungefährlich, was sich bei entsprechend gefährlicher Fracht potenzieren würde. Billiger wäre ein Einschmelzen in das Nord- und Südpoleis, das man in Deutschland Mitte der 1950er Jahre diskutierte. Damals konnte man sich freilich noch nicht vorstellen, dass es einmal Dschihadisten geben wird, die Material zum Bau "schmutziger Bomben" suchen.

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