Davutoglu: "Das Recht, alle Maßnahmen gegen das syrische Regime zu ergreifen, ist uns vorbehalten"

Türkische Regierung sucht den Terroranschlag in Ankara, für die die YPG, die PKK und das syrische Regime verantwortlich sein sollen, für ihre Interessen auszubeuten

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Der Anschlag mit einer Autobombe auf Militärbusse in der türkischen Hauptstadt hat 28 Menschen, 27 Soldaten und 1 Zivilist) das Leben gekostet. Die türkische Regierung scheint geneigt zu sein, als Täter eher die kurdische PKK auszumachen als Attentäter aus den Reihen des IS oder anderer islamistischer Gruppen. Zwar wurden die letzten Anschläge in Istanbul und Ankara schließlich dem IS zugeordnet, auch wenn man selbst zunächst bei dem Anschlag auf linke Kurden in Ankara, der mehr als 100 Menschen das Leben kostete, zunächst auch die PKK ins Spiel gebracht hatte.

Der türkische Regierungschef Ahmet Davutoğlu hat nun erklärt, dass der Selbstmordattentäter anhand von Fingerabdrücken identifiziert werden konnte. Er wäre mit anderen Flüchtlingen aus Syrien über die Grenze gekommen. Dort seien ihm die Fingerabdrücke abgenommen worden. Es handle sich Salih Necar, einem 1992 geborenen Syrer, der mit "Sicherheit" mit der YPG verbunden sein soll.

Es gebe eine "direkte Verbindung zwischen dem Angriff und der YPG", versicherte Davutoğlu. Die YPG soll von der PKK in der Türkei "logistisch" unterstützt worden sein. Neun Verdächtige seien festgenommen worden, Erdogan sprach später von 14. Das klingt alles sehr konstruiert und danach, den Krieg gegen die PKK im Südosten des Landes und die Angriffe auf die YPG zu legitimieren. Womöglich soll auch ein Einmarsch vorbereitet werden.

Der Regierungschef legt nun vielleicht auch mit Blick auf den EU-Gipfel noch eins drauf. Für den Anschlag seien nicht nur YPG und PKK verantwortlich, sondern auch "direkt" das syrische Regime. Das stützte er mit einer verwegenen Behauptung: "Die YPG sind ein Werkzeug des syrischen Regimes und das Regime ist direkt verantwortlich für diesen Angriff. Das Recht, alle Maßnahmen gegen das syrische Regime zu ergreifen, ist uns vorbehalten", drohte er. Auch Präsident Erdogan besteht auf der Verbindung von PKK und PYD für den Anschlag: "Auch wenn PKK und PYD dies abstreiten, zeigen die Informationen des Innenministeriums und der Geheimdienste, dass sie dahinter stecken."

Der IS behauptet, das Dorf Al-Taybah westlich vom Kweiris- oder Menagh-Luftwaffenstützpunkt in der Nähe von Azaz anzugreifen. Der Stützpunkt war vor wenigen Tagen von der YPG eingenommen worden und wird von der türkischen Artillerie beschossen.

Das dürfte die Nato und die Nato-Mitgliedsländer endgültig beunruhigen, denn mit Angriffen auf syrische Truppen würde die türkische Regierung womöglich eine militärische Auseinandersetzung mit Russland riskieren, in die wiederum die Nato hineingezogen werden könnte. Vermutlich soll die gegen die Kurden gerichtete Schutzzone dann ein Kompromissangebot sein. Dass die Türkei mit allen Mitteln arbeitet, zeigte ein 2014 geleakter Mitschnitt von Gesprächen, in denen sich schon damals der türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu, Geheimdienstchef Hakan Fidan, Generalleutnant Yaşar Güler und Staatssekretär Feridun Hadi Sinirlioğlu über ein direktes militärisches Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg unterhielten. Der Geheimdienstchef brachte die Inszenierung eines False-Flag-Raketenangriffs auf türkisches Territorium ins Spiel, um einen Einmarsch zu legitimieren (After-Eight-Politik).

Die türkische Regierung drängt jetzt darauf, an der türkisch-syrischen Grenze auf der syrischen Seite ein 10 km in das Land hineinreichendes Gebiet als Schutzzone zu etablieren. Möglicherweise war dies auch ein Grund, die Mehrzahl der Flüchtlinge aus Aleppo und Umgebung nicht in die Türkei zu lassen, sondern sie in Camps an der Grenze unterzubringen. Jetzt könnte man erklären, dass zu deren Schutz Bodentruppen notwendig seien. Ziel dürfte es auf jeden Fall sein zu verhindern, dass die Kurden weitere Gebiete an der Grenze kontrollieren und damit den von der Türkei unterstützen mehr oder weniger " gemäßigten Rebellengruppen" den Nachschubweg abzuschneiden.

Die Türkei hat vor einigen Tagen begonnen, die kurdischen Kämpfer der YPG, die aus türkischer Sicht wie die mit ihr verbundene PKK als Terrororganisation betrachtet werden müsse, von der türkisch-syrischen Grenze aus mit Artillerie zu beschießen. Zweck ist es, die Einnahme der für die "Rebellen" wichtigen Grenzstadt Azaz und letztlich auch eine Verbindung der von der PYD/YPG kontrollierten Gebiete Rojava und Afrin zu verhindern.

YPG bestreitet eine Verbindung mit dem Anschlag.

Die syrischen Kurden der von den USA unterstützten Syrisch-demokratischen Streitkräfte (SDF) haben inzwischen den Anschlag verurteilt und weisen jede Verwicklung darin zurück. In einer Mitteilung unterstellt das YPG-Kommando, dass die türkische Regierung damit einen Angriff auf Afrin und Rojava rechtfertigen will. Die YPG habe noch nie einen Angriff auf die Türkei unternommen.

Derweil wurden 6 Soldaten im kurdischen Südosten bei einem Bombenanschlag auf ein Militärfahrzeug getötet, das angeblich auf der Suche nach Minen war. Das Militär geht von einem Anschlag mit einer aus der Ferne ausgelösten Bombe seitens der PKK aus.