Bundesverfassungsgericht nimmt Beschwerde gegen Sodomieverbot nicht an

Die züchtige Alternative zum ursprünglich als Illustration vorgesehenen Ukiyo-e-Holzschnitt: Maria empfängt vom Heiligen Geist in Gestalt einer Taube (El Greco, um 1610)

Ordnungswidrigkeitentatbestand der sexuellen Handlung mit Tieren bleibt aufrechterhalten

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In einem gestern bekannt gemachten Beschluss mit dem Aktenzeichen 1 BvR 1864/14 hat die Dritte Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Annahme einer Verfassungsbeschwerde gegen den am 13. Juli 2013 in Kraft getretenen § 3 Satz 1 Nummer 13 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) abgelehnt. Der Paragraf sieht vor, dass die Abrichtung, Nutzung oder Zurverfügungstellung eines Tiers für sexuelle Handlungen mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 25.000 Euro bestraft wird, wenn das Tier dadurch "zu artwidrigen Verhalten gezwungen" wird. Die Entscheidung ist nicht mehr anfechtbar.

Eingelegt worden war die Beschwerde von zwei Personen, die sich nach Angaben des Bundesverfassungsgerichts "zu Tieren sexuell hingezogen fühlen". Sie machten geltend, dass die Vorschrift zu unbestimmt formuliert sei und ihr in Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 geschütztes Recht auf sexuellen Selbstbestimmung unangemessen einschränke. Die drei Juristen, die darüber entschieden - Ferdinand Kirchhof, Johannes Masing und die umstrittene Richterin Susanne Baer - waren sich jedoch einig, das weder der eine noch der andere Vorwurf zutrifft.

Der in Artikel 103 Absatz 2 festgeschriebene Bestimmtheitsgrundsatz soll davor schützen, dass ein Parlament "Gummiparagraphen" verabschiedet, die so weit gefasst sind, dass Bürger vor einer konkreten Gerichtsentscheidung nicht wissen, was verboten ist und was nicht. Dieses Bestimmtheitsgebot ist nach Meinung der Richter nicht verletzt, obwohl der Tatbestand des § 3 Satz 1 Nummer 13 TierSchG mit der "sexuellen Handlung", dem "Zwingen" und dem "artwidrigen Verhalten" drei Begriffe enthält, die "weder im angegriffenen Tierschutzgesetz noch in der Gesetzesbegründung definiert" sind.

Nach Ansicht der Dritten Kammer des Ersten Senats besteht nämlich "in Anknüpfung an den Alltagssprachgebrauch […] im Wesentlichen Einigkeit über den Bedeutungsgehalt" dieser unbestimmten Rechtsbegriffe. Was man unter "Zwingen" zu verstehen hat, ergebe sich "im Zusammenhang des Gesetzes in Abgrenzung zu einem bloßen 'Abverlangen' und setz[e] ein Verhalten voraus, welches mit der Anwendung von körperlicher Gewalt vergleichbar ist". Die "sexuelle Handlung" sei in § 184h des Strafgesetzbuchs (StGB) definiert und der Begriff "artwidrig" (auch über seine Negativdefinition "artgerecht") bereits durch Regelungen zur Tierhaltung etabliert.

Um die geltend gemachte Verletzung des Grundrechts auf sexuelle Selbstbestimmung zu prüfen, sahen sich die Richter den Schutzzweck des Verbot an und stellten fest, dass § 3 Satz 1 Nummer 13 TierSchG zwar in die sexuelle Selbstbestimmung der Beschwerdeführer eingreift, dass aber auch "der Schutz des Wohlbefindens von Tieren" ein "legitimes Ziel" ist, weil der Gesetzgeber 2002 den Tierschutz als Staatsziel in das Grundgesetz aufnahm. In der Frage, ob zu diesem Wohlbefinden auch der "Schutz vor erzwungenen sexuellen Übergriffen" zu rechnen ist, billigt das Gericht dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum zu.

Bei der Abwägung des tierischen Wohlbefindensschutzes mit der menschlichen sexuellen Selbstbestimmung kamen die Richter zum Ergebnis, dass die Regelung unter anderem deshalb verhältnismäßig ist, "weil der Tatbestand nur [dann greift], wenn das Tier zu einem artwidrigen Verhalten gezwungen wird". Außerdem berücksichtigten sie, dass dass Verbot nicht über einen Straf-, sondern lediglich über einen Ordnungswidrigkeitentatbestand umgesetzt wurde, was zur Folge hat, dass Behörden Verstöße nicht nach dem Legalitätsprinzip (also zwingend und ausnahmslos), sondern nach dem Opportunitätsprinzip (und damit nach pflichtgemäßen Ermessen) verfolgen.

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