USA: Waffenindustrie wirbt für Sturmgewehre für Kinder

Eine Studie des Violence Policy Center wirft der Waffenlobby vor, dass sie mit Methoden der Tabakindustrie Gefahren unterschlägt und Kinder für automatische Waffen begeistert

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In den USA starben 2014 mehr als 1.300 Minderjährige durch Schusswaffen, im Zeitraum von 1999 bis 2014 waren es knapp 23.000. Den Großteil machen Morde aus (699 im Jahr 2014; 13.756 im Fünfjahreszeitraum). Danach folgen Selbstmorde (532 bzw. 6.903). Die Zahlen für die nicht beabsichtigten Todesfälle von Unter-18-Jährigen durch Schusswaffen liegen deutlich niedriger - 74 im Jahr 2014 und 1.723 von 1999 bis 2014 (dazu kommen aber noch 395 Fälle von "unbestimmten Absichten").

Wirklichkeitsausschnitte, wie die Nachricht aus dem Jahr 2013 von einem Fünfjährigen, der seine zweijährige Schwester aller Wahrscheinlichkeit nach versehentlich erschoss, zeigen grell auf, welche Tragödien hinter den Zahlen stecken.

Die Öffentlichkeit außerhalb den USA hat sich daran gewöhnt, dass die dortige Waffenlobby selbst bei den Fällen, wo unter Europäern kein Zweifel daran besteht, dass die amerikanische Waffengesetzgebung nicht unbedingt die Sicherheit erhöht, verblüffenderweise für eine noch stärkere Bewaffnung argumentiert (In den USA boomt das Geschäft mit Schusswaffen). Bei den Kindern ist das freilich etwas anderes. Dort lautet das Argument der Waffenfreunde, man müsse ihnen den Umgang mit Waffen besser beibringen. Dazu gehört eine Waffe für den Nachwuchs, zum Trainieren.

"Eine großartige Verbindung, die ein Smartphone nicht herstellen kann"

So setzt das Waffen-Marketing, das auf Kinder bzw. deren Eltern zielt, in den USA beim Training an, Sportschießen oder Jagen. "Noch immer eine der großartigen Verbindungen, die ein Smartphone nicht herstellen kann", lautet der Slogan unter einem Werbebild für ein Gewehr, das Vater und Sohn einträchtig nebeneinander beim Schießen auf der Jagd zeigt. Es stammt aus einem Waffenkatalog des Herstellers Marlin im Jahr 2016. Abgebildet ist die Werbung in einer Studie der Organisation Violence Policy Center.

Die Studie ist nicht so sehr Lieferant aussagekräftiger Zahlen oder wissenschaftlicher Hypothesen zum Thema schärfere Waffengesetze, an dem sich Präsident Obama die Zähne ausbeißt, sie dokumentiert stattdessen auf 61 Seiten anhand vieler Abbildungen aus Werbekampagnen von Waffenherstellern, wie sehr Jugendliche, aber auch Kinder schon ab dem Alter ab 8 Jahren, zu Zielgruppen geworden sind.

"Verbringe den Tag mit Schießen und der Verbesserung deines Könnens." Exemplarische Waffen-Werbung, die auf Kinder zielt. Bild aus der Studie

Mobilisiert wird das breitangelegte Marketing durch den Trend, wonach es immer weniger Waffen in den amerikanischen Haushalten gebe und die Industrie auf Nachwuchs (so genannte replacement shooters) setzen muss. Die Methoden, wie dabei vorgegangen wird, vergleicht das Violence Policy Center mit denen der Tabakindustrie, der es jahrzehntelang geschafft habe, über Gefahren hinwegzutäuschen.

Waffenwerbung, die auf Kinder zielt, gebe es zwar schon seit vielen Jahren, was sich aber geändert hat, sei die Offenheit, mit der Industrie und ihre Lobbyisten ihre Mission verfolge und die Art der Waffen, die sie bewirbt. Beworben würden nämlich mehr und mehr Sturmgewehre (genannt und mit Bildern illustriert werden Beispiele von Smith & Wesson, Black Forge und Beretta) und halb-automatische Pistolen. Das Marketing ziele nicht nur auf größere Verkäufe der Zielgruppen ab, sondern auch darauf, auch bei den nächsten Generationen eine politische Basis von Waffenbefürwortern zu schaffen.

Die Kampagnen, die dokumentiert werden, zeigen einerseits, dass unter dem Motto "Mein erstes Gewehr" Bilderbücher und Figuren wie Davie Crickett, der für das Gewehr wirbt, mit dem der oben genannte Fünf-Jährige seine Schwester erschoss, auf eingängige Weise nahegelegt wird, dass Waffen Kindheitsträume erfüllen können.

Rosa Gewehre

Anderseits versuche die Industrie bestimmten technischen Schwellen, wie etwa dem Rückstoß, mit kindgerechten Lösungen beizukommen. So würden Sturmgewehre, die als Geschenke für Kinder gedacht sind, wofür sich der Hersteller Marlin besonders engagiere, mit viel Plastikteilen versehen, damit sie nicht so schwer sind. Für die Plastikteile mancher "kindgerechter Gewehre" verwende man freundliche, für die Jüngeren attraktive Farben wie Gelb oder Rosa oder Violett, so dass sich auch die Mädchen angesprochen fühlen.

Bild: Screenshot aus dem Video "Start them young" zur Studie des Violence Policy Centers

Anderseits würden die technischen Anpassungen an die Möglichkeiten der Jüngeren mit einer Rhetorik verknüpft, die den Erwachsenen die Scheu vor einer zu frühen Bewaffnung ihrer Kinder nehmen. Zitiert wird dazu Material von mit der National Rifle Organization verbundene Organisationen wie der National Shooting Sports Foundation (NSSF), die ein Magazin namens "Junior Shooters" herausgibt, und Aussagen von Waffenhändlern, wonach ein frühes Einstiegsalter ein Garant dafür sei, dass die Kinder den Umgang mit Waffen richtig lernen.