Für US-Regierung ist der Zugriff auf verschlüsselte Daten und Geräte "nationale Priorität"

Die geforderte iPhone-Entsperrung ist nur ein Schritt, schon im November gab es ein geheimes Memo des Nationalen Sicherheitsrats

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US-Sicherheitsbehörden und -Geheimdienste drängen seit geraumer Zeit darauf, dass sie Hintertüren in Verschlüsselungsprogrammen benötigen, weil sonst die nationale Sicherheit in Gefahr sei. Kriminelle und Terroristen würden mit Verschlüsselung im Dunklen ("going dark") agieren können. Im Oktober des letzten Jahres hatte die US-Regierung erst einmal eingelenkt und angesichts der massiven Kritik der IT-Konzerne, die um ihr Geschäft fürchten, auf eine Gesetzgebung verzichtet, die einen Zugang zu verschlüsselten Daten ermöglichen sollte.

Das hat die Sicherheitsbehörden verärgert, die weiterhin darauf drängen, entweder Verschlüsselungsprogramme zu verbieten oder Hintertüren zu erhalten (US-Geheimdienste machen Terror gegen Verschlüsselung). Gerade geht es wieder darum, dass das FBI Zugriff auf das verschlüsselte iPhone von Syed Farook will, einer der Attentäter von San Bernandino, die am 2. Dezember 14 Menschen erschossen. Ein Gericht entschied, Apple müsse das iPhone entsperren. Nach der Weigerung des Konzerns heißt es, man wolle keine Hintertür, sondern lediglich einmaligen Zugriff auf die Daten dieses Handys.

Wie Bloomberg News berichten, ging nach der Ankündigung des Weißen Hauses, auf Hintertüren durch ein Gesetz zu verzichten, die Arbeit wie gewohnt im Geheimen mit einem Plan B weiter. Schon im November fand ein geheimes Treffen im Weißen Haus statt, um nach Wegen zu suchen, wie man sich Zugang zu verschlüsselten Daten und Geräten wie dem iPhone verschaffen könnte.

Nach dem Bericht gab es auch einen Entschluss, der in einem Memo des Nationalen Sicherheitsrats festgeschrieben wurde. Danach wurden Regierungsbehörden beauftragt, um Verschlüsselung umgehen zu können. Geld wurde bewilligt, der Auftrag bestand auch darin, nach bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten suchen, die verändert werden müssten. Nach dem Memo würde die Regierung hinter verschlossenen Türen verstärkt Druck auf die IT-Konzerne ausüben, während man sich nach außen hin versöhnlicher geben wird. Ein solches Memo könne langfristig wirken, so Bloomberg. Ein ähnliches habe es während des Irak-Krieges gegeben, als immer mehr Soldaten durch selbstgebaute Bomben (IEDs) ums Leben kamen. Daraus wurden neue Anti-IED-Techniken und Geheimdienstansätze entwickelt.

Das Vorgehen gegen Apple, um das iPhone des Attentäters zu entschlüsseln, würde keine direkte Folge des Memos sein, ginge aber mit diesem überein, so Bloomberg. Zwar erklärte der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, am Mittwoch, dass die Regierung Apple nicht auffordere, "sein Produkt neu zu gestalten oder eine neue Hintertür zu seinen Produkten zu schaffen", man wolle nur Zugriff auf dieses eine Gerät. Dafür hätten aber FBI und Justizministerium die volle Unterstützung der US-Regierung, für Obama sei es eine "nationale Priorität". Letztlich geht es vermutlich "nur" darum, dass Apple für seine Firmware eine Möglichkeit zur Verfügung stellt, unbegrenzt eine PIN eingeben zu können, um das Passwort finden zu können, ohne dass sich das iPhone zurücksetzt und alle Daten verloren sind.

Wir lehnen es für alle unsere Produkte ab, sogenannte Hintertüren einzubauen, weil das den Schutz, den wir integriert haben, schwächt. Deswegen können wir dein Gerät auch für niemanden entsperren. Das kannst nur du mit deinem einzigartigen Passwort. Wir verpflichten uns zu dieser leistungsstarken Verschlüsselung, damit du sicher sein kannst, dass die Daten auf deinem Gerät und die Informationen, die du teilst, immer geschützt sind.

Apple

Vermutlich sieht es Apple-Chef Tim Cook richtig, der dies für einen wegweisenden Präzedenzfall hält und darin nicht nur von Google, sondern auch vom ehemaligen NSA- und CIA-Chef Michael Hayden unterstützt wird, der erklärt, er könne den FBI-Chef verstehen, meine aber, dass die USA sicherer seien mit einer nichtknackbaren Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.

Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats verwies auf eine Erklärung eines Mitarbeiters des Weißen Hauses, der deutlich macht, wie Ernst man dort das Thema nimmt: "Wir sollten nicht voreilig schließen, dass die technischen und politischen Optionen, dieses Probem anzugehen, nicht vorhanden sind. Auch wenn die Schaffung von Mechanismen, um auf verschlüsselte Informationen zugreifen zu können, Verwundbarkeiten erzeugen, kann es technische und prozesshafte Schritte geben, die zur Begrenzung solcher Risiken implementiert werden können." Das ist eine ziemlich unverhohlene Drohung, mit oder eben auch ohne Kooperation der IT-Konzerne das Problem anzugehen. Erst einmal ist zu erwarten, dass mehr Geld investiert wird, um nach Möglichkeit zu suchen, Verschlüsselung auch ohne Mitwirkung der Konzerne zu knacken. Druck wird vermutlich auf die Konzerne ausgeübt, selbst Werkzeuge zu entwickeln, damit Sicherheitsbehörden Sicherheitslöcher aufspüren können, um große Datenmengen, die in den Netzwerken fließen, zu entschlüsseln.

Bloomberg zitiert Jason Syversen, der früher bei der Darpa für Cybersicherheit zuständig war und jetzt die Sicherheitsfirma Siege Technologies leitet. Er meint, schon mit ein paar Millionen würden sich Möglichkeiten entwickeln lassen, um Android- und iPhone-Verschlüsselung knacken zu können.

Und John McAfee, der einst das Sicherheitsunternehmen McAfee gründete und ein Pionier von Antvirenprogrammen ist, bot sich an, die Verschlüsselung für das iPhone mit dem "weltweit besten Hackerteam" kostenlos innerhalb von 3 Wochen und vor allem auf der Grundlage von "social enginneering" zu knacken, so dass Apple sich keine Sorgen machen müsse, dass eine Hintertür in die Apple-Produkte entsteht. Er hat auch seine eigene Theorie, warum das FBI die guten Hacker, die er eher mit Künstlern vergleicht, nicht anstellt oder findet:

I would eat my shoe on the Neil Cavuto show if we could not break the encryption on the San Bernardino phone. This is a pure and simple fact. And why do the best hackers on the planet not work for the FBI? Because the FBI will not hire anyone with a 24-inch purple mohawk, 10-gauge ear piercings, and a tattooed face who demands to smoke weed while working and won't work for less than a half-million dollars a year. But you bet your ass that the Chinese and Russians are hiring similar people with similar demands and have been for many years. It's why we are decades behind in the cyber race.

McAffee, ein entschiedener Befürworter von sicherer Verschlüsselung, ist Präsidentschaftskandidat für die Libertäre Partei ("Maximale Freiheit, minimale Regierung"), vielleicht auch eine Möglichkeit, mehr Aufmerksamkeit zu finden, schließlich wirbt er mit dem Slogan: "Privacy, Freedom and Technology".