Zweigleisig fahren: Der CDU-Wahlkampf-Klingelbeutel

Julia Klöckner und Guido Wolf werben mit Tageskontingenten und Grenzzentren um Wähler, die Merkel verliert

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Die Ansage von Julia Klöckner zum CDU-Parteitag im Dezember vergangenen Jahres lautete: "Obergrenze ist ein Symbolbegriff, keine Politik." Wie ist dann ihre Idee der "Tageskontingente" einzuordnen? Obergrenzen? Symbole? Politik?

Der Flüchtlingskoordinator der Regierung, Peter Altmaier, bot dazu heute im Interview mit dem bayerischen Rundfunk eine weitere Aufgliederung an: Tageskontingente seien einmal eine "technische Frage" und zum anderen eine "politische Frage".

Die politische Frage stehe heute und morgen nicht zur Debatte, sagte Altmaier. Damit setzte der Kommunikationschef in Flüchtlingsfragen immerhin einen Punkt. Er war von der Moderatorin dazu gedrängt worden, die Frage zu beantworten, ob es eine Festlegung auf Tageskontingente mit ihm als Flüchtlingskoordinator gebe.

Julia Klöckner auf dem CDU-Parteitag der CDU Deutschlands am 14. Dezember 2015. Bild: Olaf Kosinsky/ CC-BY-SA-3.0

Alles auf den Extra-Deal mit der Türkei setzen

Soweit es ihm möglich war, antwortete Altmaier ausweichend. Es ging ihm darum, Merkels Kurs als unangetasteten Plan Nummer 1 zu halten und Loyalität zu bekunden. Beobachter schreiben, dass er zur Not ein politisches Opfer abgebe, falls Merkels Plan scheitert, sie aber "Bundeskanzlerin bleiben müsste".

Merkel setzt alles auf den geplanten Extra-Deal mit der Türkei. Sie hat es geschafft, dass ein EU-Sondergipfel mit der Türkei Anfang März noch vor den drei deutschen Landtagswahlen stattfindet. Der Gipfel soll dann entscheiden, ob eine "europäische Lösung" möglich ist und wie die aussehen könnte. Sicher ist, dass der Türkei dabei ein Einfluss zukommt, der mehr als symbolisch ist, und Erdogan verlangt hohe Preise, was wohl auch den Wählern klar ist. Vom Innenminister de Maizière zusammengefasst sieht der Plan so aus:

Alle Länder seien sich einig, dass der Außengrenzenschutz mit der Türkei Priorität habe. Das bedeute Frontex-Einsatz und Nato-Einsatz und heiße auch, dass Flüchtlinge in die Türkei zurückgeschickt würden.

Das zweite Gleis

Die Kanzlerin, eben noch Frau des Jahres 2015, fällt in der Umfragegunst der Deutschen. Wahlkampf funktioniert besser an ihr vorbei, weshalb die CDU-Spitzenkandidaten für Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, und für Baden-Württemberg, Guido Wolf, am Wochenende eine gemeinsame Erklärung vom Stapel ließen, in der sie "tagesaktuelle Kontingente und Grenzzentren" fordern.

Zweigleisig müsse man vorgehen, um "uns unabhängig vom Wohlwollen unsolidarischer EU-Länder zu machen" - mitgemeint ist wahrscheinlich auch die Türkei -, heißt der Angelpunkt ihrer Forderung, die die Frage, wie sich die Zahl der Flüchtlinge reduzieren lässt, in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs stellt.

Wir werden den Zuzug nur regulieren und in den Griff bekommen können, wenn wir ein Steuerungssystem haben. Dieses fehlt uns bisher und deshalb sind tagesaktuelle Kontingente aus Grenzzentren und Hotspots so notwendig. (…)

Wir brauchen vorgelagerte Erstaufnahmeeinrichtungen in Grenznähe, die auch als Wartezonen dienen. Ohne Asylgrund oder Schutzstatus sollte niemand mehr in unser Land einreisen dürfen und auf die Kommunen verteilt werden. Von dort aus ist eine spätere Abschiebung nämlich schwieriger, in einigen Fällen fast unmöglich. Auch hier geht es um ein deutliches Signal in die Herkunftsländer hinein.

Keine Politik, sondern Wahlkampf

Es geht also um Signale und Symbole, weniger um Politik, sondern um Wahlkampf. Im Vordergrund stehen keine praktischen Vorschläge - wie mit dem Problem der Unterkünfte, mit denen Kommunen zu kämpfen haben, umzugehen ist oder welche Integrationsmaßnahmen in Planung sind, wie man sich politisch mit dem nicht unwahrscheinlichen Szenario des Zuzug einer neuer Flüchtlinge einstellt.

Stattdessen das wiederholte Versprechen, wonach man sich national abschotten könnte. Ergänzt durch den Hinweis, Druck auf andere Länder auszuüben. Auch damit kann man auf Wahlkampfveranstaltungen punkten:

All diese Schritte können wir ohne Verzögerung national angehen, wenn möglich natürlich auch zusammen mit anderen europäischen Ländern, auch mit Österreich. Wer bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise mehr leistet, als andere, sollte dafür auch zusätzliche EU-Gelder bekommen oder weniger in den EU-Topf einzahlen müssen. Mitgliedsstaaten, die sich der Solidarität dagegen komplett verweigern, müssen das auch zu spüren bekommen.

Offensichtlich ist, dass Klöckner, die damit ihren Plan A2 noch einmal heraushebt, um Wähler wirbt, die Merkel verloren hat, damit eine CDU-Alternative für die angeboten wird, die zur parteiaushäusigen Alternative schielen.

SPD: "Die letzte der drei Koalitionsparteien, die den gemeinsamen Kurs mit Merkel unterstützt"

SPD-Vizekanzler Gabriel nennt die Klöcknersche Signal-und Symbolpolitik eine "österreichische Lösung", die in die Sackgasse führe und zu keiner Entlastung bei den Flüchtlingszahlen.

Das letztere steht noch nicht fest. Aber Klöckner und Guido Wolf greifen in ihrem Papier die SPD als "Bremser" an. Die SPD, die sich beim Flüchtlingsthema mit eigenen Vorschlägen nicht profilieren kann, versucht ihr Glück in der Fokussierung auf eine Kluft innerhalb der CDU. Ihre Aussichten bei den Landtagswahlen sind nicht besonders. Besser wird das nicht, wenn man sich die Partei nur als tollen Koaltionspartner präsentieren kann.

In Telefonkonferenzen am Sonntag hätten führende Sozialdemokraten beklagt, dass die SPD die letzte der drei Koalitionsparteien der Bundesregierung sei, die den gemeinsamen Kurs mit Merkel unterstütze

Spiegel

Statt mit eigenen Vorschlägen hervorzutreten, verkeilt sie sich an der ausgemachten Kluft zwischen Merkel und den mit vielen Rettungsseilen abgesicherten Abweichlern in der CDU.