Boris Johnson für Brexit

Der Londoner Bürgermeister bringt sich für die Nachfolge von David Cameron in Stellung

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Die zweite Hälfte der Zehner Jahre des 21. Jahrhunderts könnte eine Zeit der exzentrischen Herrenfrisuren in der Politik werden: Nachdem Donald Trump gute Chancen hat, US-Präsident zu werden, bringt sich in Großbritannien der mindestens ebenso exzentrisch frisierte Londoner Bürgermeister mit einer offenen Befürwortung eines Ausstiegs Großbritanniens aus der EU als Nachfolger von Premierminister David Cameron in Stellung.

Wie das für den 23. Juli 2016 angesetzte Referendum ausgehen wird, ist offen: Während die Meinungsforschungsinstitute TNS und YouGov aktuell die Befürworter eines Ausstiegs vorne sehen, sind es bei Ipsos und Survation die Gegner. Fest steht, dass der Anteil der Brexit-Befürworter in den letzten sechs Monaten deutlich wuchs, was auch mit der Politik Angela Merkels zusammenhängt (vgl. UK: Brexit-Befürworter fast so stark wie -Gegner).

Für Johnson stellt sich die Situation deshalb wie folgt dar: Entscheiden sich die Briten für einen Verbleib in der EU, kann David Cameron das als Zustimmung für den von ihm ausgehandelten Kompromiss verbuchen und bleibt länger im Amt. Stimmt die Mehrheit jedoch für den Brexit, dann wackelt auch Camerons Stuhl - und als Nachfolger würde sich jemand anbieten, der diesen Brexit befürwortet hat. Das sieht man auch im Londoner Buchmacher Ladbrokes so, wo Johnson bei den Wetten, wer Camerons Nachfolger wird, klarer Favorit ist.

Boris Johnson. Foto: Think London. CC BY 2.0.

Ob Johnsons Entscheidung deshalb eine ausschließlich taktische ist, wie beispielsweise der Guardian vermutet, ist allerdings fraglich: Der Londoner Bürgermeister zeigte sich in der Vergangenheit in seinen Reden und seinem Kolumnen für den Telegraph immer wieder so unzufrieden mit dem Brüsseler Gebilde, dass seine jetzige Ablehnung durchaus glaubhaft erscheint. Trotzdem meinte Johnson in der Begründung seiner Entscheidung, diese sei ihm nicht leicht gefallen. Man müsse aber zwischen Europa und dem politischen EU-Projekt trennen, das seinem Eindruck nach "droht, der demokratischen Kontrolle zu entgleiten". Außerdem gebe es in Brüssel "zu viel Aktivismus", der dafür sorge, dass von dort viel zu viele Vorschriften kämen.

Die von Cameron erreichten Zugeständnisse sind Johnsons Meinung nach nicht die "grundlegende Reform", die er für nötig hält, um diese Entwicklungen aufzuhalten oder umzukehren. In Fernseh-Talkrunden als Gegner Camerons auftreten will er jedoch nicht. Zumindest nicht vor dem Referendum.

Dass Johnson mit seiner Haltung bei den Tories keineswegs eine abseitige Einzelmeinung vertritt, zeigt sich auch daran, dass sich nach der Kabinettssitzung vom Samstag fünf Minister offen zum Brexit-Lager bekannten - darunter Justizminister Michael Gove, und Arbeitsminister Iain Duncan Smith (vgl. UK: Minister fordern Brexit-Kampagnenfreiheit). In der Begründung, warum er für ein "Out" werben wird, widersprach der Arbeitsminister seinem Premier, indem er verlautbarte, eine Trennung von der EU werde das Risiko von dschihadistischen Anschlägen im Vereinigten Königreich verringern, weil ausländische Terroristen dann weniger leicht einreisen könnten. Cameron hatte der BBC zuvor gesagt, Großbritannien sei in der EU sicherer.

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