"Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch!"

Der "Ready-to-go"-Bag, den die Fema empfiehlt. Bild: Rotes Kreuz/fema.gov

Katastrophenratgeber gedeihen, mehr als ein Drittel der Briten hat Vorbereitungen getroffen, ein britischer Astrobiologie klärt auf, was man können muss, wenn nichts mehr geht

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Der Astrobiologe Lewis Dartnell, der auch für die britische Raumfahrtagentur arbeitet, hat mit seinem "Handbuch für den Neustart der Welt", auf deutsch im Hanser Verlag erschienen, ein erfolgreiches Buch für alle Apokalyptiker geschrieben, die glauben, der Weltuntergang oder zumindest eine größere Katastrophe oder ein Krieg könne bald bevorstehen. Er verspricht den Lesern "alles, was man wissen muss, wenn nichts mehr geht". Survival-Training ist sowieso Kult für die verstädterte Elite, die auch gerne mit SUVs und anderen geländegängigen Fahrzeugen in den Städten herumfährt.

Dartnell geht von einer Pandemie aus, nach der wenige Menschen überleben, was allerdings auch bedeuten würde, dass eben doch noch alles läuft, nur die Menschen und deren Wissen fehlen. Man könnte auch von einem Ausfall der Stromnetze nach einem Cyberwarangriff ausgehen, wodurch fast alles in der modernen Welt ausfallen würde. Dartnell schließt sich den Autoren der ersten Enzyklopädie im Aufklärungszeitalter an. Auch Diderot phantasierte eine Katastrophe mit dem Untergang von Atlantis oder dem Brand in der Bibliothek von Alexandria. Die Aufgabe der Enzyklopädie war daher, das gesamte Wissen der Menschheit zu versammeln, um jederzeit einen Neustart zu ermöglichen und nicht ins dunkle Mittelalter zurückzufallen.

Auch ins Theater, in das Volkstheater München, hat es sein "postapokalyptischer Ratgeber" schon geschafft. Das Szenario bedient sich einer Angstvorstellung, hat aber eine ganz bedenkenswerte Grundlage, schließlich leben wir alle in einer hoch technisierten Welt, von der wir aber höchstens Teilaspekte verstehen, aber wahrscheinlich nicht wissen, wie wir unsere Ernährung sicherstellen, Kleidung herstellen, Feuer machen oder uns medizinisch behandeln können.

Das geht allerdings, wenn auch nicht politisch, in die Richtung der oft aus rechten Kreisen stammenden Angsthasen, die wie im Umkreis des Kopp Verlags gerne Untergangsszenarien von "Deutschland schafft sich ab" über "Unruhen in Europa - Ihr persönlicher Vorsorgeplan" bis hin zum "Direkten Weg in den Dritten Weltkrieg" lesen und sich in Verschwörungstheorien wie "Die Erde - ein Projekt der Aliens?", "Die Lügenpresse" oder "Massenimmigration als Waffe" verlieren, um dann im Shop das "Lexikon des Überlebens" oder alles für das "Survival" und eine gesunde Ernährung bis hin zur "Heilung des Unheilbaren" zu erwerben. Udo Ulfkotte ist da auch nicht weit und bietet an: "Was Oma und Opa noch wussten", weil "die Wahrscheinlichkeit, dass aus der Wirtschafts- und Finanzkrise eine Versorgungskrise entsteht, beängstigend groß" sei. Bei der Überlebenssicherung ist dann vermutlich auch die Verteidigung oder der Angriff mit Waffen nicht fern.

Dartnell jedenfalls hat für einen Auftritt bei der Messe "The Big Bang UK Young Scientists and Engineers Fair" in Birmingham eine Umfrage unter 2000 Briten durchführen lassen. Danach haben sich immerhin 36 Prozent auf eine Katastrophe vorbereitet und einige Vorräte angelegt bzw. Vorkehrungen getroffen. 61 Prozent lagern Lebensmittel, 52 Prozent Medikamente und 47 Prozent auch Handys. Aber für Dartnell ist das wenig realistisch, um wirklich am Leben zu bleiben. Nur 22 Prozent haben an Streichhölzer oder 10 Prozent an eine Wasserflasche gedacht.

Nach dem Katastrophenratgeber gehört zu einem Überlebenspaket primär eine Wasserflasche, ein kleines Messer, irgendetwas zum Anzünden eines Feuers und Lebensmittel. Damit lassen sich natürlich keine großen Geschäfte mit "Survival"-Produkten machen.

Nett sind seine Ratschläge dennoch. Warum uns ein durchschnittlicher Supermarkt helfen soll, ausgerechnet 55 Jahre lang zu überleben, wäre schon interessant zu wissen. Schön ist auch der Hinweis, dass wiederaufladbare Batterien in einem Golfcart doch dazu geeignet seien, irgendwie erzeugten Strom zu speichern. Der Ratgeber schlägt denn auch vor, im Notfall zu einem Golfplatz, zu einem Supermarkt oder an den Strand zu gehen. Es müsste allerdings ein Sandstrand sein, weil doch Glas, das aus Sand gewonnen werden kann, für den Wiederaufbau wichtig sei, aber am Strand auch andere Rohmaterialien wie Kalk oder Seegras zu finden seien. Aus Sand und alten Dosen könne man auch eine Drehbank machen.

Schwierigkeiten mit der Technik

Interessant ist wieder, dass 68 Prozent glauben, sie könnten gut bzw. durchschnittlich gut erste Hilfe leisten, 61 Prozent wollen Lebensmittel konservieren können und 53 Prozent gehen davon aus, dass sie Getreide anbauen und Tiere züchten können. Man scheint zu hoffen, alles zu wissen, um auf dem Land oder im Garten in der Stadt sich mit der Arbeit der eigenen Hände ernähren zu können, obgleich man davon ausgehen kann, dass viele davon trotz der Pflege eigener Gärten, Urban Gardening und mancher Gemeinschaftsgärten nicht so viel davon wissen dürften und daher ihre Fähigkeiten überschätzen. 46 Prozent glauben, sie könnten Dinge aus Holz herstellen

Hingegen werden die Kenntnisse im Hinblick auf Technik deutlich geringer als die landwirtschaftlichen Fertigkeiten angesetzt. 80 Prozent sagen, sie könnten keine chemische Substanzen, etwa Treibstoff oder Alkohol, herstellen, 68 Prozent könnten keine Maschinen reparieren. 32 Prozent gehen zwar davon aus, sie könnten dies, das dürfte aber wahrscheinlich sowie nur die alten mechanischen und elektrischen betreffen. 68 Prozent sind der Ansicht, sie könnten keine Metallwerkzeuge herstellen oder reparieren, ebenfalls so viele könnten nicht ihre Kleidung selbst herstellen.

Man darf davon ausgehen, dass doch einige ihre Fertigkeiten überschätzen, egal ob es um Landwirtschaft oder Technik geht. Dartnell meint allerdings: "Die Überlebensinstinkte der Menschen sind stark, aber ohne größeren Fokus auf das MINT-Wissen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) würde die Geschwindigkeit, mit der wir zu der 'Gesellschaft, wie wir sie kennen', zurückkehren, ernsthaft abgebremst. Das Land muss sich nicht ducken und bedecken (duck and cover), sondern wissen, wie man eine Katastrophe übersteht und sich davon wieder erholt." Und dazu müsse man wissen, wie man Strom, Seife, Holzkohle, eine Drehbank und Glas herstellen kann.

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