Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister unter Verdacht

Die Humboldt-Universität überprüft die Doktorarbeit des SPD-Politikers, dessen Gutachter Geld aus Beraterverträgen kassierte, ein drittes Mal

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Die Berliner Humboldt-Universität fiel in den letzten Jahren immer wieder mit Ereignissen auf, die ihren Ruf nicht verbesserten. Nun muss sie die Dissertation des SPD-Politikers Till Backhaus ein drittes Mal überprüfen.

Das erste Mal wurde die die 2001 eingereichte Doktorarbeit des Ministers mit dem (zumindest für westliche Ohren) eigentlich eindrucksvoller als "Doktor" klingenden DDR-Berufsabschluss "Mechanisator" nach ihrer Abgabe und das zweite Mal auf dem Höhepunkt der Politiker-Plagiatsaufdeckungswelle 2011 bis 2013 überprüft. Da die zweite Überprüfung weitgehend elektronisch geschah, verglich ein Plagiatsjäger die Promotionsschrift jetzt noch einmal mit gedrucktem Bibliotheksmaterial und entdeckte dabei nach eigener Wertung etwa 300 beanstandungswürdige Stellen.

Der Juraprofessor Gerhard Dannemann, der bei VroniPlag mitwirkt, hat zwar Zweifel daran, ob der dadurch offengelegte "sehr sparsame Umgang mit Quellenangaben" ausreicht, um die Arbeit mit dem Titel Betrachtungen zur Getreideproduktion in Mecklenburg-Vorpommern zwischen 1900 und 2000 als "großflächiges Plagiat" zu werten, weil es lediglich inhaltliche und keine "wörtlichen Übereinstimmungen" gibt - aber er meint auch: "Aus geistes- und sozialwissenschaftlicher Perspektive sieht das nach einer sehr, sehr schwachen Arbeit aus. Eine, bei der man sich überlegen sollte, ob man die hätte so annehmen sollen."

Die Arbeit wurde aber nicht nur angenommen, sondern mit der drittbesten Note cum laude bewertet, wie Backhaus selbst einräumte, als er einem Bericht der Ostsee-Zeitung entgegentrat, in dem es hieß, er habe dafür die Bestnote summa cum laude erhalten. In dieser Stellungnahme wertet der Landwirtschaftsminister die Mängel der Arbeit als "kleinere Defizite", die sich bereits in der Note niedergeschlagen hätten. Die Fehler stellen seiner Ansicht nach den "wissenschaftliche[n] Wert und Kern [s]einer Arbeit nicht in Abrede".

Till Backhaus. Foto: Thomas Kohler. Lizenz: CC BY-SA 2.0

Die nun folgende dritte universitäre Überprüfung soll eine Kommission der Humboldt-Universität unter Vorsitz des Bibliotheks- und Informationswissenschaftlers Michael Seadle übernehmen. Ob sich diese Kommission ausschließlich mit der Plagiatsfrage beschäftigen oder auch die Qualität der Arbeit, die Notengebung und einen eventuellen Interessenskonflikt eines Gutachter durch Beraterverträge des mecklenburgischen Landwirtschaftsministeriums untersuchen wird, ist noch nicht klar.

Ein Professor, der 2001 die Doktorarbeit des inzwischen dienstältesten Landesminister in Deutschland begutachtete, erhielt Berichten des Focus und des Spiegel zufolge aus zwei damals abgeschlossenen Beraterverträgen mit einer dem Landwirtschaftsministerium in Schwerin nachgeordneten Einrichtung rund 13500 Euro - zu einer Zeit, als Backhaus bereits Landwirtschaftsminister war. Backhaus weist jeden Zusammenhang zwischen diesen Verträgen und seiner Promotion weit von sich. Diese seien auf Behördenseite trotz einer Abzeichnung durch seinen engen Mitarbeiter Gerhard Rudolphi ohne Kenntnis seines akademischen Vorhabens geschlossen worden. Der emeritierte Professor war für eine Stellungnahme dazu nicht erreichbar.

Bereits 2003, als ein ehemaliger Mäzen des Politikers diese Verträge an die Öffentlichkeit trug, fragten sich Beobachter, warum der Minister die Dissertation nicht an seiner heimischen Universität in Rostock, sondern an der Humboldt-Universität in Berlin einreichte. Backhaus hatte dies damit begründet, dass er mit einer Promotion außerhalb seines Bundeslandes "möglichen Spekulationen vorbeugen" wollte.

Der Göttinger Pflanzenbau-Professor Wilhelm Römer hatte das Werk bereits kurz nach seinem Erscheinen als "substanzloses Machwerk" verrissen, das "weder inhaltlich noch formal wissenschaftlichen Ansprüchen" gerecht wird. Ein anderer Wissenschaftler meinte damals, alleine die Literaturliste des Ministers sei so mangelhaft zusammengestellt, "dass wir sie nicht einmal von einem Diplomstudenten akzeptieren würden".

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