Wie sicher ist Bahnfahren?

Funklöcher als Risiko - Deutsche Bahn nach Bad Aibling in Erklärungsnot

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Nach dem Unfall von Bad Aiblingen - elf Menschen starben am 9. Februar, 85 weitere wurden zum Teil schwer verletzt - mehren sich die Zweifel an der Sicherheit im deutschen Schienenverkehr. Offenbar hat die Bahn Probleme mit Funklöchern. Zeitungen berichten von Mängeln im bahneigenen digitalen Funknetz, so zuletzt der "Kölner Stadt-Anzeiger", der sich auf eine Mängelliste und Aussagen von Lokführern beruft.

Interne DB-Mängellisten, berichtete das Kölner Blatt, warnten Lokführer bundesweit schon seit geraumer Zeit "vor hunderten Empfangslücken mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass dort die Leitzentrale nur über ein Ersatz-Mobilfunknetz erreicht werden" könne.

"In Funklöchern kann der Lokführer definitiv keinen Notruf empfangen und ist für den Fahrdienstleiter nicht erreichbar", wird ein Ausbilder zitiert. Das sei "seit Jahren" ein gewaltiges Sicherheitsrisiko. Diese Einschätzung werde von Fachleuten bestätigt; auch bei Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten seien Empfangsprobleme bei dem nach der Jahrtausendwende eingeführten Digitalfunk keine Seltenheit - bis hin zum Totalausfall.

Zuletzt hatten sich die Ermittlungen auf den Fahrdienstleiter der Bahn (DB Netze) konzentriert, der die beiden Unglückszüge auf Kollisionskurs schickte. Allerdings setzte der DB-Mitarbeiter noch zwei Notrufe ab, um die Lokführer zu warnen, beide Male jedoch ohne Wirkung: Offenbar kein Empfang.

Mit Tempo 200 ins Funkloch

Andreas Nagel, Sprecher der Aktion Münchner Fahrgäste, erinnert sich an einen Vorfall auf der Fahrt von Dachau nach Altomünster, bei dem - umgekehrt - der Fahrdienstleiter vom Lokführer per Zug-Bahnfunk nicht erreicht werden konnte. Erst per Handy klappte die Kommunikation. Nagel fordert:

Wir brauchen eine vollständige Funkausleuchtung der Bahnstrecken in Deutschland. Es kann nicht sein, dass Fahrdienstleiter nicht erreichbar sind, und umgekehrt die Lokführer, nur weil der Bahn das Geld zu schade ist für einen zusätzlichen Funkmast.

Andreas Nagel

Die jetzt erhobenen Vorwürfe bringen die Deutsche Bahn in Erklärungsnot. Ein Sprecher des Eisenbahnbundesamts (EBA) erklärte zwar auf Anfrage, der Zugfunk GSM-R sei im ausgerüsteten Gesamtnetz "zu 99 Prozent" verfügbar.

Jedoch sehen Kritiker weiterhin ein "systemisches Sicherheitsproblem" im Netz der DB. Die oft hunderte Seiten umfassenden Streckenmängel-Listen belegten, dass sogar auf vielen der Schnellstrecken, wo Züge mit Tempo 200 und mehr unterwegs sind, kilometergroße Funklöcher klaffen: im Ernstfall ein tödliches Risiko. In der Luftfahrt gibt es daher weiterhin den Gebrauch analoger Systeme.