Griechenland: Die Presse als Mittel zur Schutzgelderpressung

Ist Google an der Misere des Landes schuld? Belustigende Vorwürfe und kriminelle Pressedeals im Krisenland

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In Griechenland ist es üblich, dass von Skandalen überraschte Bürger "aus den Wolken fallen". So jedenfalls leiten Reporter traditionell ihre enthüllenden Berichte ein. Eine handfeste Räuberpistole über verkrachte Verleger, Blogger und Journalisten, die sich nebenbei mit Erpressungen zehntausende Euros monatlich verdienten, lässt jedoch diese Phrase besonders hohl erscheinen. Denn, dass Griechenlands Medienwelt nicht unbedingt besonders seriös ist, war den Bürgern wohlbekannt. Nun weiß es auch die Justiz.

Googles vermeintliche Putschversuche gegen Tsipras

Angefangen hat die neue Skandalserie ausgerechnet mit einer nach Verschwörungstheorien klingenden Meldung. Der Journalist Christos Frangou erklärte seinen Lesern des Sofokleus in Blogs, dass niemand anders als Google an Griechenlands Misere schuld sei. Schließlich würde der Suchmaschinenkonzern seine Ergebnisse so manipulieren, dass für die Regierung Tsipras schädliche Nachrichten prominent platziert würden. Regierungskritische Medien würden in den Suchergebnislisten systematisch bevorzugt, hieß es, und gute Nachrichten seien nicht auffindbar.

Bild: Wassilis Aswestopoulos

Nun könnte daraus auch gefolgert werden, dass Tsipras Politik derzeit wirklich unter Druck steht, jedoch ging Frangou einen anderen Weg. Er verband die schlechte Berichterstattung mit den fiskalisch legalen, aber ethisch fragwürdigen Steuertricks von Google. Die von Syriza kontrollierte Internetseite left.gr griff die Nachricht freudig auf und veröffentlichte sie kommentarlos wie einen eigenen Beitrag.

Auch dies, das hemmungslose Kopieren fremder Inhalte, ist in Griechenlands Medienwelt keine Ausnahme, sondern die Regel. Die kuriose Meldung über Googles vermeintliche Putschversuche gegen Tsipras belustigte bis zum Dienstagmorgen die Gemeinde der griechischen Nutzer sozialer Webseiten. Die Aufregung war beinahe vergessen, als der Name Frangou, der auch die kostenlose Zeitung Free Money leitet, wieder durch die Medien ging.

Die Festnahme Frangous

Diesmal ging es um die Festnahme Frangous, der gemeinsam mit dem Verleger der Zeitung Akropolis, Panagiotis Mavrikos und dem Journalisten Panagiotis Mousas in Handschellen abgeführt wurde. Ihnen wird organisiertes Verbrechen und insbesondere gewerbsmäßige Erpressung vorgeworfen. Dem Polizeibericht und der vorläufigen Anklageschrift gemäß hatten die drei bis zu 500.000 Euro monatlich Umsatz erzielt.

Allein mit ihrer journalistischen Tätigkeit lassen sich diese Summen nicht erklären. Mavrikos Zeitung verkauft in Athen gerade einmal zwischen 200 und 280 Ausgaben täglich. Trotzdem war er beim Staatssender ERT ein gerngesehener Gast. Ausgerechnet im Wahlkampf des Septembers 2015 widmete ihm die ERT ein Porträt und warb indirekt für die zu den rechtsextremen Publikationen zählende Zeitung.

Plumpe Schlüsse

Der Vizevorsitzende der Nea Dimokratia, Adonis Georgiadis, nutzte die Aufregung um den Medienskandal, um Fotos zu publizieren, die Frangou in trauter Einigkeit mit Alexis Tsipras aber auch mit Yanis Varoufakis zeigen.

Darüber hinaus rühmte sich die Bande, in der griechischen Medienwelt über beste Kontakte zu zahlreichen Bloggern und Zeitungsverlegern zu verfügen. Sie würden, behaupteten sie, mit einem einzigen Anruf negative Presse in eine positive Berichterstattung umwandeln - wenn der Kunde entsprechend zahlt.

Es ist auffällig, dass die drei auch ihre regierungskritischen Kommentare und Meldungen zu bestimmten Zeiten aus ihren Internetmedien löschten. Der Schluss, die Erpresser mit der aktuellen Regierung zu verwickeln, ist jedoch zu plump.

"Geld für die Unterdrückung der Meldung"

Der Fehler, der den Erpressern Reichtum bescherte, liegt vielmehr tiefer - im griechischen Werbegeschäft. Den Erpressten gegenüber warben die mutmaßlichen Gangster mit ihren guten Kontakten. Dazu dienten auch Fotos und Fernsehauftritte als Beleg. Darüber hinaus nutzten sie ihr journalistisches Handwerkswissen, um über Politiker, aber auch über Beamte und Manager von staatlichen Firmen, kompromittierende Details zu sammeln.

Mit den Details in der Tasche gingen sie zu ihrem Opfer und verlangten Geld für die Unterdrückung der Meldung. Die perfekte Geldwäsche war in diesem Zusammenhang das Erzwingen von lukrativen Werbeverträgen für ihre maroden Medien. Allein das attische Wasserwerk EYDAP, ein Monopolist, verteilt 2016 stolze 1,6 Millionen Euro, um für Wasser zu werben. Dies deckte der Vorsitzende von To Potami, Stavros Theodorakis, auf.

Über das Wasserwerk flog die Bande schließlich auf. Eine zu ihrem Schutz A.K. genannte leitende Angestellte rief die Polizei zu Hilfe und stellte der Bande eine Falle. Als diese die erste Abschlagzahlung für einen Pressedeal erhielten, erfolgte die Festnahme. Sie hatten A.K. mit Hinweis auf ihre häufigen Frisörbesuche und deren teuren Lebenswandel erpresst. Die Kronzeugin der Anklage fürchtet nun um ihr Leben.