EuGH: Keine Sozialleistungen für EU-Zuwanderer in den ersten drei Monaten

Der europäische Gerichtshof stützt in seiner Urteilsbegründung die Gültigkeit der deutschen Sozialgesetzgebung im Verhältnis zum Unionsrecht

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Vor dem enormen Zuzug der Asylsuchenden im letzten Jahr war der "Sozialleistungstourismus" das Stichwort für erhitzte politische Debatten. Dabei geht es um Ansprüche von EU-Bürgern, die nach Deutschland kommen, auf Sozialleistungen. Die Debatte wurde Anfang 2014 durch eine Positionierung der EU-Kommission weiter aufgeladen (vgl. "Hartz-IV auch für Zuwanderer, die nicht aktiv nach einer Arbeit suchen").

Damit wurde eine zentrale Frage aufgeworfen: "Wie weit lassen sich deutsche Bestimmungen zu den Sozialleistungen mit europäischem Recht vereinbaren?", deren Beantwortung sich kompliziert aufgliederte (z.B. Ist Hartz-IV Sozialhilfe? und zum Befund einer beträchtlichen Rechtsunsicherheit vor allem bei Sozialgerichten führte, deren Richter sich unsicher waren, wie die deutsche Sozialgesetzgebung gegenüber dem Unionsrecht einzustufen sei. Sind die Texte im Sozialgesetzbuch mit den EU-Prinzipien vereinbar? Inwieweit haben die Regelungen des deutschen Sozialgesetzbuches auch auf EU-Ebene Bestand oder verstoßen sie gegen Arbeitnehmer-Freizügigkeit und Nicht-Diskriminierung?

Grundlegende Antworten darauf erhoffte man sich vom Europäischen Gerichtshof (EuGH), der auch für weit beachtete Grundsatzentscheidungen sorgte: "Nicht erwerbstätige Zuwanderer aus EU-Staaten, die ‚allein mit dem Ziel, in den Genuss von Sozialleistungen zu kommen‘, sind von den Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossen und "Zuwanderer, die nur kurze Zeit in Deutschland gearbeitet haben, haben keinen Anspruch auf längerfristige Sozialleistungen").

Auch dem heute veröffentlichten Urteil des EuGH liegt ein Fall des Landessozialgerichts in Nordrhein-Westfalen zugrunde, das wissen wollte, ob die deutschen Regelungen mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Es ging dabei um die Frage, ob arbeitslose Bürger aus anderen EU-Mitgliedsstaaten schon während der ersten drei Monate ihres Aufenthalts Anspruch auf Sozialhilfeleistungen haben.

Der europäische Gerichtshof entschied in seinem Urteil gegen einen solchen Anspruch und bestärkte die Gültigkeit der nationalen Regelung. Dabei stützte sich das Gericht auf vorangegangene Entscheidungen, die ebenfalls die nationalen Regelungen bekräftigten.

In der Entscheidung wurde das Argument des Generalanwalts Melchior Wathelet sichtbar, wonach die Einräumung des Rechts auf Sozialhilfeleistungen für Unionsbürger, die Gefahr beinhalte, "dass dadurch eine Massenzuwanderung ausgelöst wird, die eine unangemessene Inanspruchnahme der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit nach sich ziehen könnte".

In der Urteilsbegründung des europäischen Gerichtshofs heißt es:

Ließe man nämlich zu, dass Personen, denen kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 zusteht, unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländer Sozialleistungen beanspruchen könnten, liefe dies dem im zehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie genannten Ziel zuwider, eine unangemessene Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats durch Unionsbürger, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, zu verhindern.

Dem Urteil zugrunde lag der Fall einer spanischen Familie. Die Frau und ihre Tochter lebten bereits einige Monate in Deutschland, wo die Mutter einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachging. Vater und Sohn zogen nach und beantragten Sozialleistungen, die ihnen aber für den Zeitraum der ersten drei Monate verweigert wurden (später nicht mehr), weswegen sie klagten (siehe dazu Punkte 27-34 des Urteils).

Eine Einzelfallprüfung sei in solchen Fällen nicht nötig, so das Gericht.