Archäologischer Befund stellt Öko-Untergangs-Theorie infrage

Zwölf Mata'a. Bild: Carl Lipo / Binghamton University

Mata'a der Osterinsel-Bewohner waren als Waffen untauglich

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Die Osterinsel gilt als eines der populärsten Beispiele dafür, wie Gesellschaften durch "Raubbau an der Natur" einen Öko-Untergang herbeiführen. Nun hat sich der an der amerikanischen Binghamton University forschende Archäologe Carl Lipo 400 Mata'a-Obsidiane, die auf der Insel ausgegraben wurden, genauer angesehen und kommt in einem Aufsatz für das Fachmagazin Antiquity zum Ergebnis, dass die auch vom Zeitgeist umwehten Theorien wahrscheinlich nicht zutreffen.

Diese Theorien (denen auch der Hollywood-Film Rapa Nui folgt) gingen davon aus, dass es durch die Abholzung von Wäldern zu einem "ökologischen Kollaps" kam, der zu einem Bürgerkrieg führte. In den Mata'a sahen die Vertreter dieser Theorien Speerspitzen, die erst mehrere Hundert Jahre nach der Ankunft der ersten polynesischen Siedler entwickelt wurden und danach in den Bürgerkriegen zum Einsatz kamen.1 Einige Forscher versuchten damit auch Anthropophagie zu belegen.2

Allerdings ähneln die teilweise an Schmetterlinge erinnernden Stücke Speerspitzen anderer Kulturen nur sehr bedingt. Lipo weist nun mittels neuer morphometrischer Methoden nach, dass die meisten der recht wenig systematisch behauenen Steine von ihrer Form her kaum kampftauglich waren. "Man könnte", so der Archäologe, "jemanden mit einem Mata'a schneiden, aber die Verletzung wäre in keiner Weise tödlich". Lipo hält die Vulkanglasobjekte stattdessen für "Multifunktionswerkzeuge", die man unter anderem beim Gartenbau und zum Tätowieren der Haut einsetzte.

Er sieht diese Erkenntnis als weiteren Baustein für einen anderen Ablauf der Geschichte der Osterinsel, der unter Fachleuten verbreiteter ist als in Publikumsmedien: Danach brachen Wirtschaft und Kultur der Rapa Nui erst nach dem namensgebenden Ostersonntag 1722 - also nach der Ankunft der Europäer - zusammen. Diese brachten Krankheitskeime auf die Insel, gegen die die meisten der Bewohner - ähnlich wie auf dem amerikanischen Festland - keine wirksame Immunabwehr hatten. Das und der Fang von Zwangsarbeitern für die südamerikanischen Guanominen führte dazu, dass die Zahl der Rapa Nui in 125 Jahren von ungefähr 3.000 auf 111 abnahm. Inzwischen liegt sie wieder bei 3.500 - etwa 60 Prozent der Inselbevölkerung.

Zur großflächigen Erosion auf der Insel kam es Lipos Ansicht nach erst nach dem massiven Bevölkerungsrückgang: Als die Williamson-Balfour Company Anfang des 20. Jahrhundert in großem Stil Schafe züchtete. Die Süßkartoffelgärten, die es vorher gab, konnten den fruchtbaren Boden dagegen ähnlich gut festhalten wie die Palmwälder, die die Insulaner rodeten, um Platz für ihre Pflanzungen zu schaffen.

Dass es auf der Insel im Vergleich zu anderen Eilanden verhältnismäßig wenige Pflanzenarten gibt, liegt - wie man nach archäobotanischen Untersuchungen annimmt - nicht daran, dass viele ausgerottet wurden, sondern daran, dass sie nicht nur sehr weit vom Festland, sondern auch von anderen Inseln entfernt ist. Tatsächlich dürften die Polynesier sogar wesentlich zur Artenvielfalt beigetragen haben, indem sie mit ihren Booten Samen auf die Osterinsel brachten, die sonst nicht dorthin gelangt wären.

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