Offene Regierungsbildung nach Wahl in Irland

Koalition aus EVP-Vertretern und Labour verliert Mehrheit

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In Irland gilt ein relativ kompliziertes STV-Präferenzwahlsystem mit mehreren Abgeordneten für verschiedene Wahlkreise, weshalb die Auszählung der bereits am Freitag abgegebenen Stimmen für die Parlamentswahl länger dauerte als in Ländern mit einfachem Verhältnis- oder Mehrheitswahlrecht. Am späten Sonntagnachmittag waren 28 von insgesamt 40 Wahlkreisen komplett ausgezählt und 124 von insgesamt 158 Sitzen komplett im Dubliner Parlament, dem Dáil, zugeordnet.

Mit diesem Zwischenergebnis steht bereits fest, dass die bislang regierende Koalition aus der Partei Fine Gael (die im Europaparlament - wie die deutsche CDU - der christdemokratischen EVP-Fraktion angehört) und der Labour Party ihre Parlamentsmehrheit verloren hat - das gilt selbst dann, wenn alle noch nicht zugeordneten Mandaten ausnahmslos an sie gehen würden. Fine Gaels Stimmenanteil nahm von 36,1 auf 25,5 Prozent ab. Labour verlor sogar noch deutlicher - von 19,4 Prozent auf nun nur mehr 6,6 Prozent.

Dass die beiden Regierungsparteien trotz sieben Prozent Wirtschaftswachstum so stark verloren, liegt daran, dass die Einführung einer Trink- und Abwassergebühr auf der regenreichen Insel bei vielen Iren den Eindruck einer staatlichen "Abzocke" erweckte. Hinzu kamen die Auswirkungen von Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen, die den Medien zahlreiche Human-Interest-Stories über Rentner, die ihre Rezeptgebühren nicht bezahlen können, und Patienten, die nächtelang in Notaufnahmen warten, lieferten.

Ministerpräsident Enda Kenny muss sich jetzt bis zur konstituierenden Parlamentssitzung am 10. Mai eine neue Mehrheit suchen oder seinen Platz für Micheál Martin von der liberalkonservativen Fianna Fáil räumen, die ihren Stimmenanteil von 17,4 auf 24,3 Prozent steigern konnte.

Eine Karte mit den Wahlergebnissen steht aus lizenzrechtlichen Gründen leider nicht zur Verfügung, deshalb zeigen wir hier ersatzweise den Anteil der Gälischsprecher in Irland und Nordirland. Karte: SkateTier. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die linksnationalistische Sinn Féin nahm von 9,9 auf jetzt 13,8 Prozent zu, gilt aber unter anderem wegen ihres Anführers, des Nordiren Gearóid Mac Ádhaimh (besser bekannt als Gerry Adams), als nur bedingt koalitionsfähig. Die drittgrößte Gruppe sind Parlament sind aber nicht die Linksnationalisten, sondern die unabhängigen Abgeordneten, für die insgesamt 17,8 Prozent der Bürger stimmten.

Die vorher mit jeweils zwei Abgeordneten im Dáil vertretenen Gruppen People Before Profit (PBP) und Anti-Austerity Alliance (AAA - vorher Páirtí Sóisialach), die diesmal zusammen antraten, dürfen trotz ihres Stimmenanteils von lediglich 3,95 Prozent mindestens fünf Abgeordnete ins neue Parlament entsenden, weil sie sich auf einige Wahlkreise konzentrierten. Gleiches gilt für die sozialdemokratische Labour-Abspaltung Daonlathaigh Shóisialta (SD), die mit drei Prozent Stimmenanteil mindestens drei Abgeordnete stellt. Die Grünen kommen mit 2,72 Prozent auf mindestens zwei.

Finden weder Fine Gael noch Fianna Fáil unter den anderen Parteien und den Unabhängigen genügend Abgeordnete für eine absolute Parlamentsmehrheit, dann müssen sie entweder Neuwahlen ausrufen oder die große Koalition eingehen, die sie vor der Wahl eigentlich ausgeschlossen haben. Der Hinderungsgrund dafür liegt weniger in den politischen Programmen, sondern in einer historischen Feindschaft, die bis in die 1920er Jahre zurückreicht.

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