SVP scheitert mit ausländerfeindlicher Volksabstimmung

Haben die Rechtsnationalen, die vielen Gleichgesinnten als Vorbild galten, den Gipfel des Erfolgs mit der Anti-Ausländer-Politik überschritten?

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Die Schweiz galt mit der ausländerfeindlichen Partei SVP vielen als Vorbild für den Vormarsch der Rechtsnationalen in Europa. Bislang konnte die SVP ihre gegen Ausländer, Asylbewerber und Muslime gerichteten Initiativen durchsetzen. Und bei den letzten Wahlen legt die Partei noch einmal zu, blieb stärkste Partei und konnte die Posten von zwei Bundesräten gewinnen (Schweiz: Deutliche Gewinne für rechte SVP).

Jetzt hat sich eine große Mehrheit überraschend gegen die so genannte Durchsetzungsinitiative (Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer) gestellt. Bei einer Beteiligung von 63 Prozent der Abstimmungsberechtigten haben 58 Prozent die Initiative abgelehnt. Nur in wenigen kleinen Kantonen hatten die Befürworter eine knappe Mehrheit.

Plakat der SVP zur Initiative

Im Vorfeld hatte alles danach ausgesehen, als könnten die ausländerfeindlichen Parolen der SVP erneut verfangen. Als Stimmenfänger war auch Roger Köppel unterwegs, Chefredakteur und Verleger der scharf auf rechtskonservativ getrimmten Weltwoche und seit den Wahlen Nationalrat, aber auch ein Mann, der mit seiner Überheblichkeit abschreckend wirken kann (Schweizerische Weltwoche offen rassistisch).

Die SVP, die mit Angst und wahrhaftiger Schwarz-Weiß-Malerei (Die weißen und die schwarzen Schafe) bislang die Stimmung anheizen konnte, hat mit der letzten Initiative den Bogen überspannt. Nach dieser sollen alle Ausländer, die auch nur wegen Bagatellfällen und unabhängig von der Höhe der Strafe verurteilt werden, automatisch aus der Schweiz abgeschoben werden können, ohne dagegen Rechtsmittel einlegen zu können. Auch wer in den letzten 10 Jahren schon einmal zu einer Freiheits- oder Geldstrafe verurteilt wurde, müsste bei einem erneuten Delikt abgeschoben werden, sofern es sich nicht um eine "entschuldbare Notwehr" handelt. Dazu würde ein Einreiseverbot zwischen 5 und 15 Jahre verhängt.

Die SVP hatte die Durchsetzungsinitiative schnell nach der erfolgreichen "Ausschaffungsinitiative" (2010) in Gang gebracht (Sieg für die Schweizer Sarrazin-Partei). Der Vorwurf ans Parlament war, den Willen des Volkes nicht zu beachten und in dem aufgrund der Initiative beschlossenen Gesetz die Forderungen verwässert zu haben. 2014 hatte man noch mit der Initiative gegen "Masseneinwanderung" einen, wenn auch knappen Erfolg errungen (Was folgt nach dem "Abschottungsvotum"?), nachdem man 2008 noch gescheitert war (Angstmache vor Überfremdung wird von Schweizern zurückgewiesen). 2009 konnte eine Mehrheit für ein Minarettverbot mobilisiert werden (Kein Muezzin-Ruf aus der Toblerone).

Parlament und Bundesrat hatten die Bevölkerung aufgefordert, gegen die Initiative zu stimmen, auch die Wirtschaft, die meisten Parteien und eine breite Bürgerbewegung hatten sich für die Ablehnung stark gemacht und gewissermaßen die Systemfrage gestellt. Der Bundesrat erklärte, die Initiative sei "unmenschlich und behandelt die 2 Millionen Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz wie Menschen zweiter Klasse. Bei ihnen soll plötzlich nicht mehr der Grundsatz gelten, dass ein Gericht jeden Einzelfall prüft, wenn es eine so schwerwiegende Maßnahme wie die Landesverweisung ausspricht." Betroffen wäre ein Viertel der Bevölkerung der Schweiz.

Dass die SVP Schwierigkeiten mit der direkten Demokratie hat, die sie nur solange feiert, wie sie davon profiziert, zeigt die beleidigte Reaktion auf die Schlappe, wobei seltsamerweise auch noch suggeriert wird, dass die Abstimmungsgegner die Volksentscheide nicht achten würden, wohl weil man meint, Ergebnis hin oder her, das Volk zu vertreten, wie das andere Rechtsnationalisten etwa in Deutschland auch gerne von sich glauben, wenn sie grölen"Wir sind das Volk":

Nach einem in diesem Ausmass noch nie dagewesenen, einseitig geführten Abstimmungskampf von Seiten der Medien, Richter, Professoren, staatlich subventionierten Kulturschaffenden und der Classe politique, erwartet die SVP eine Rückbesinnung auf die Stärken der direkten Demokratie und der Selbstbestimmung der Schweiz. Die SVP fordert die Abstimmungsgewinner von heute auf, Volksentscheide zu achten und auch dann zu respektieren, wenn ihnen das Ergebnis nicht passt.

SVP

Der Milliardär, Ex-Nationalrat und SVP-Chef Blocher war sich auch bis vor kurzem noch sicher: "Wenn es um die Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und die direkte Demokratie geht, ist die SVP leider die einzige Partei", sagte er.

Allerdings haben die Rechtsnationalen damit nur eine Schlappe erlitten, in Wahlen wie im Kanton St. Gallen erreichte die SVP hingegen mit der FDP die absolute Mehrheit. Allerdings stimmten dort trotzdem "nur" 45.9% für die Initiative.

Und der Kampf gegen Ausländer geht weiter. Die SVP will ein Burka-Verbot, die Verschärfung des Asylrechts und setzt auf die Selbstbestimmungsinitiative. Mit der wird "eine eigenständige Wahrung der Menschen- und Grundrechte" gefordert, verhindert werden soll ein "schleichender EU-Beitritt und die Abgabe unserer Souveränität an die EU" sowie "eine automatische ("dynamische") Übernahme von EU-Recht und internationalem Recht (Völkerrecht)".