Guerilla Open Access und Robin-Hood-PR gegen Marktversagen

Mit der Schattenbibliothek Sci-Hub verbindet sich eine Diskussion über das Geschäftsmodell der Wissenschaftsverlage

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Nach dem der Wissenschaftsverlag Elsevier gegen Ende letzten Jahres vor einem New Yorker Gericht die Löschung der Domains der Schattenbibliotheken Sci-Hub, BookFi and LibGen erwirkte, dürfte man im niederländischen Firmensitz das Gefühl des Sieges genossen haben. Doch es scheint als sei der Triumph von kurzer Dauer und zudem recht trügerisch.

Schattenbibliotheken sind Online-Datenbanken, über die wissenschaftliche Dokumente zum Download angeboten werden, ohne dass diese Bereitstellung rechtlich erlaubt ist. Genau aus diesem Grund verklagte Elsevier die genannten Dienste auch, denn sie machten Texte zugänglich, an denen Elsevier die exklusiven Rechte der Verbreitung und damit der Kommerzialisierung durch Lizenzierung oder Verkauf hatte.

Die Klage erweist sich aber, obwohl sie erfolgreich war, zusehends als Schlag ins Wasser: Die Websites sind mittlerweile wieder unter neuen Domains zugänglich, so dass nur eine kurzfristige Behinderung der wissenschaftlichen Literaturversorgung mittels der Schattenbibliotheken zu konstatieren ist. Zudem konnte keiner der Betreiber als Person identifiziert oder gar juristisch belangt werden - letzteres wäre zudem schwierig, da viele der Betreiber wohl aus Staaten wie Russland stammen, in denen eine erfolgreiche Klage vor einem US-amerikanischen Gericht faktisch keine Handhabe zur Durchsetzung weitergehender rechtlicher Mittel liefert.

Symbol von Sci-Hub: "the first website in the world to provide mass & public access to research papers"

Sci-Hub tritt vom Schatten ins Licht: PR gegen Wissenschaftsverlage

Am schädlichsten für Elsevier und andere kommerzielle Verlage dürfte jedoch sein, dass die Betreiber einer Schattenbibliothek ihre Strategie ändern und geradezu PR für ihren Dienst machen. Während Angebote wie LibGen oder BookFi im Verborgenen existieren und ihre Online-Adressen meist nur in Online-Foren kursieren oder im Vertrauten weitergegeben werden, sucht Sci-Hub seit einiger Zeit regelrecht die Öffentlichkeit und pflegt eine wahre Robin-Hood-Attitüde. Die URL zu Sci-Hub ist über die Google-Suche zu zugänglich, sie findet Erwähnungen in journalistischer Berichterstattung, ja man pflegt gar einen Facebook- und Twitter-Account.

Doch nicht nur über Social Media kommuniziert Sci-Hub mit der Öffentlichkeit, Alexandra Elbakyan kann als Begründerin und Sprecherin des 2011 gestarteten Dienstes angesehen werden, sie steht Journalisten aus aller Welt Rede und Antwort zur Motivation der Sci-Hub-Betreiber, gibt Auskunft zu Verlagsklagen und zur Akzeptanz des Dienstes. Die Kasachin Elbakyan tut dies gern und sie findet Gehör (z.B. in der ZEIT, im Spektrum der Wissenschaft, in The Atlantic und The Independent, Wired) - und genau dies könnte für Elsevier und andere Verleger zu einem Problem werden, denn was es zu erzählen gibt, wirft ein schlechtes Licht auf viele der kommerziellen Wissenschaftsverlage.