Wikileaks: Saudis wollten syrische Regierung stürzen …

Wikileaks-Saudi-Cable

… aber Russland heraushalten

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Im letzten Sommer veröffentlichte die Whistleblower-Plattform Wikileaks eine Reihe von Dokumenten saudischer Diplomaten - die Saudi Cables. Eine erst jetzt angefertigte Übersetzung eines dieser Dokumente zeigt, dass die wahabitische Ölmonarchie seit 2011 auf einen Sturz der Regierung in Syrien hinarbeitete, aber versuchte, ein russisches Eingreifen zu vermeiden.

Als erster auf das Schriftstück des saudischen Außenministeriums aufmerksam wurde das jordanische Portal Albawaba, das eine Teilübersetzung des undatierten Dokuments anfertigte. Global Research geht anhand von Referenzen, die in dem Schreiben gemacht werden, davon aus, dass es zu Beginn des Jahres 2012 verfasst wurde - kurz bevor Russland Friedensgespräche vorschlug.

Wörtlich heißt es in der geleakten Botschaft:

Es muss die Tatsache betont werden, dass das syrische Regime [sic] in dem Fall, dass es die gegenwärtige Krise in irgendeiner Form übersteht, als Hauptziel die Rache an den Ländern verfolgen wird, die sich ihm entgegenstellten - mit dem Königreich [Saudi-Arabien] und einigen der Golfstaaten ganz oben auf der Liste. Wenn wir das Ausmaß der Brutalität und Bösartigkeit und die Bedenkenlosigkeit berücksichtigen, jedes Mittel zum Erreichen seiner Ziele einzusetzen, wird diese Situation für das Königreich ein hohes Maß an Gefahr bedeuten. Es muss deshalb mit allen verfügbaren Mitteln das gegenwärtige Regime [sic] in Syrien stürzen. Die Bereitschaft, entschiedene Schritte in diese Richtung zu gehen, ist auf Seiten der westlichen Länder und vor allem auf Seiten der Vereinigten Staaten jedoch nicht gegeben. Es ist klar, dass dies nicht an einen Mangel an 'Leistungsfähigkeit', sondern an einem Mangel an 'Verlangen' liegt.

Damit Russland nicht zu einem Eingreifen gereizt wird, schlägt der Verfasser des Dokuments vor, dass die saudischen Medien angewiesen werden, russische Politiker nicht zu beleidigen und ihnen nicht offen zu widersprechen. Außerdem solle man mit den Russen diplomatisch im Gespräch bleiben und den Außenausschussvorsitzenden der Duma nach Saudi-Arabien einladen. Darüber hinaus könne man die Organisation Islamischer Staaten einspannen, um Druck auf Russland auszuüben, weil sich das Land von der "islamischen Dimension" der öffentlichen Meinung stärker beeindrucken lasse als von der arabischen.

Seit Wladimir Putin am 30. September in den Kalifatskrieg eingriff, ist klar, dass die saudische Strategie bezüglich des russischen Heraushaltens nicht funktioniert hat. Inzwischen droht die Ölmonarchie damit, Bodentruppen nach Syrien zu entsenden - angeblich aus "humanitären Gründen" und zur Unterstützung der von den USA angeführten Anti-IS-Koalition, die sich bislang auf Lufteinsätze beschränkt. Das Wikileaks-Schreiben von 2012 legt jedoch nahe, dass es den Wahabiten vor allem um den Sturz der Regierung in Damaskus gehen könnte.

In den vergangenen Jahren unterstützten sie dazu mehr oder weniger offen salafistische Milizen, die häufig mit der al-Nusra-Front, der syrischen al-Qaida-Filiale kooperieren. Bei den Friedensverhandlungen in Genf treten diese "Rebellen" als "Hohes Verhandlungskomitee" (HNC) auf. In der Provinz Idlib arbeitet die im HNC bedeutende Gruppe Ahrar asch-Scham beispielsweise über die im März 2015 ausgerufene Dachorganisation Dschaisch al-Fatah mit der al-Nusra-Front zusammen.

Ein gemeinsame Studie des Institute for the Study of War und des American Enterprise Institute kam im Januar deshalb zu einem ähnlichen Ergebnis wie Thomas Pany in Telepolis: "Lädt man Ahrar asch-Scham [...] zu den Gesprächen, heißt das, so holt man indirekt auch al-Qaida an den Tisch" (vgl. Syrien-Gespräche: Steinmeier plädiert für Teilnahme salafistischer Gruppen). Und al-Qaida wird eher als an einem Frieden ein Interesse daran haben, die Gespräche zu sabotieren und den Krieg in die Länge zu ziehen, weil die Terrororganisation sonst ihr relativ sicheres Rückzugsgebiet gefährden würde, in das sie bereits 2013 große Teile Führungsmannschaft holte - darunter die Saudis Abdulrahman Mohammed al-Jahani und Abdelmohsen Abdullah al-Sharikh, den Algerier Said Arif, den Kuwaiti Mohsen al-Fadhli, den Türken Abu Yusuf al-Turki und den Jemeniten Abu Layth al-Yemeni (vgl. Studie: Al-Nusra-Front langfristig gefährlicher als IS).

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