Heiratsverhalten verstärkt in den USA die soziale Ungleichheit

Es gibt zunehmend mehr Ehen zwischen Partnern mit gleichem Ausbildungsstand, bei denen die Frauen besser gebildet sind und mehr verdienen

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Vor allem für Frauen war das Heiraten einst eine Möglichkeit, sozial in höhere Schichten aufzusteigen. Das verschafft den Kindern dann entsprechende Vorteile, weil die Durchlässigkeit der Gesellschaft oft nicht sehr ausgeprägt ist und der Tellerwäscher, der zum Millionär durch harte Arbeit, Zufall oder krumme Geschäfte aufsteigt, eine Ausnahme bleibt.

Gegenwärtig scheint die soziale Mobilität nach Studie in den westlichen Ländern allgemein wieder geschrumpft zu sein (Ungleichheit zwischen Arm und Reich nimmt zu, die soziale Mobilität wird immer geringer, Kann Bildung die soziale Mobilität erhöhen?). Die Reichen bleiben unter sich (Millionär bleibt Millionär, USA: Armut als Schicksal). Eine Rolle könnte dabei auch spielen, dass sich auch das Heiratsverhalten verändert hat, wodurch wohl am stärksten die Schichten durchmischt werden. Frauen und Männer, die heiraten, gehören offenbar zunehmend derselben sozialen Schicht an. Damit wächst auch durch das Heiraten die Ungleichheit in der amerikanischen Gesellschaft, sagt die Soziologin Christine Schwartz von der University of Wisconsin-Madison.

Holzschnitt 1815. Bild: gemeinfrei

In einer 2012 erschienenen Studie hat Schwartz mit Robert D. Mare von der University of California festgestellt, dass Amerikaner der Geburtsjahrgänge 1957-1964 bei der ersten Heirat überwiegend einen Partner heiraten, der eine ähnliche Ausbildung hat. Auch mit Scheidung (37 Prozent lassen sich 10 Jahre nach der Heirat scheiden) und erneuter Heirat ändert sich kaum etwas. Man bleibt unter sich, zumindest wenn man unter 30 Jahren erstmals heiratet. Frauen, die erst mit 30 oder später heiraten, haben hingegen öfter Männer, die weniger gut ausgebildet sind wie sie selbst. Ehen zwischen Partner aus unterschiedlichen Bildungsschichten werden öfter geschieden, vor allem wenn die Frauen besser gebildet sind als die Männer. Das erhöht die Bildungshomogamie.

Robert Mare hat vor kurzem eine neue Studie in den Annals of the American Academy of Political and Social Science veröffentlicht. Sie zeigt deutliche Veränderungen. So hat die Bildungshomogamie von 1940 bis in die 1960er Jahre kontinuierlich und scharf abgenommen, was bedeutet, dass die soziale Mobilität über den Heiratsmarkt hoch war und soziale Schichten sich starker mischten. Mare konnte sogar zeigen, dass schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts die Bildungshomogamie gesunken ist.

Ab den 1970er Jahren, also nach der 68er Studentenrevolte und mit dem Abbau des Sozialstaats durch Thatcher und Reagan und dem Neoliberalismus stieg die Bildungshomogamie wieder an und wächst bis heute. Aber nach Mare spielt eine starke Rolle das Heiratsalter. Das ist nämlich seit 1900 durchschnittlich von 26 Jahren bei Männern und 22 Jahren bei Frauen auf 23 bzw. 20 Jahre gesunken, um dann wieder bis 2000 auf 27 bzw. 25 Jahre anzusteigen. Wenn sehr jung geheiratet wird, so Mare, sind die Partner oder eine von diesen noch häufiger in Ausbildung, der Ausbildungsstatus ist daher noch im Fluss und könnte nicht so genau wahrgenommen werden, was die Selektion nach Ausbildung abschwächt und die Heterogamie verstärkt.

Hereinspielen dürfte aber auch, vermutet Mare, die mit der Ausbildung sich unterscheidenden Karriere- und Einkommensmöglichkeiten. Möglicherweise heiraten die Menschen deswegen später, weil die Ausbildung wichtiger wird und weil die Menschen sehen, wie sehr die Ausbildung sich ökonomisch auswirkt. Seit den 1960er Jahren seien die Einkommensunterschiede zwischen den Menschen mit unterschiedlicher Bildung enorm gewachsen, was sich dann auch darauf ausgewirkt hat.