Merkel: "Durchwinken beendet"

Der Flüchtlingsnotstand in Griechenland ist eine Gelegenheit für die Kanzlerin, ihre europäische Lösung besser zu verkaufen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Griechenland bekommt Geld, die EU-Kommission signalisiert Unterstützung. Es wird ein Nothilfeprogramm für Griechenland geben. Auch aus Deutschland kommen Signale. Das Finanz-Nachrichtenmedium Bloomberg hat aus informierten Kreisen erfahren, dass Deutschland bereit sei, Griechenland in der Rentenkrise entgegenzukommen: Die EU-Zentralmacht werde sich beim Konflikt zwischen Griechenland und den Gläubigern für mehr Flexibilität einsetzen.

Die Flüchtlingsnot-Situation im EU-Außengrenzenstaat (Griechenland: Flüchtlinge SOS) bietet der deutschen Kanzlerin einen opportunen Moment. Sie kann ihren "humanen und gesamteuropäischen" Kurs herausstellen und dazu Ansagen machen, die die Schlagworte der Gegner schwächen. In Deutschland stehen drei Landtagswahlen an, Merkel erfreut sich in Umfragen wieder einer mehrheitlichen Zustimmung - außer bei der Flüchtlingspolitik, da kann sie nun Boden wettmachen.

"Die Politik des Durchwinkens ist vorbei", betonte sie gestern beim Presseauftritt zum Treffen mit dem kroatischen Ministerpräsidenten Tihomir Orešković. Zugleich nutzte sie die angespannte Situation an der mazedonisch-griechischen Grenze, um sich davon abzugrenzen, was ihr manche Gegner unterstellten: Dass sie zu "gefühlig" reagieren könnte und ihre fatale Botschaft vom September 2015 wiederholen.

Die Lage an der mazedonisch-griechischen Grenze sei nicht vergleichbar mit der Situation in Ungarn im September, sagte Merkel und betonte: "Es gibt eben nicht ein Recht, dass ein Flüchtling sagen kann, ich will in einem bestimmten Land der EU Asyl bekommen". Die Flüchtlinge, die in Griechenland sind, sollten die Aufnahmezentren in Griechenland nutzen. Überdies: Griechenland sei ein Schengenland und müsse seine Grenzen schützen.

Das gegenwärtige Chaos dort, kann Merkel argumentieren, ist Folge der kurzsichtigen, auf nationale Grenzsicherungen beschränkten Politik der Balkanroutenländer, die in Wien den falschen Weg eingeschlagen haben. Tatsächlich nützt ihr die Wiener Politik, weil sie Wege der Flüchtlinge ins Zielland Deutschland versperrt hat. Da wenig Flüchtlinge in Deutschland ankommen, hat sie den Rücken frei, sie muss sich nicht auf den Obergrenzen-Streit mit Seehofer einlassen.

Stattdessen kann sie auf den Fehler von Plan B der Wiener Konferenzteilnehmer und Obergrenzenbefürworter verweisen: das Chaos in Griechenland als Konsequenz der Politik der nationalen Grenzen. So lässt sich ihr Plan A als alternativlos darstellen. Irland hat sich bereit erklärt, beim Projekt der gesamteuropäischen Umverteilung der Flüchtlinge mitzumachen. Andere könnten folgen, darauf baut Merkel.