Mehr Wohngeld statt Bau neuer Sozialwohnungen?

IW-Studie zur sozialen Wohnraumförderung: "wenig treffsicher". Bemängelt wird die Fehlbelegungsquote bei Sozialwohnungen

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Etwa 350.000 neue Wohnungen pro Jahr würden benötigt, lauteten die Schätzungen der Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD), die sie im September letzten Jahres vorstellte, als der enorme Zuzug der Flüchtlinge mit neuer Dringlichkeit auf fehlenden bezahlbaren Wohnraum hinwies. Wohnungskrise hieß das Schlagwort.

Eine Studie des Pestel-Institus machte auf Versäumnisse in den vergangenen Jahren aufmerksam - im Schnitt würden 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr vom Markt verschwinden - und schätzte ihrerseits den Bedarf auf 400.000 Wohnungen jährlich bis 2020. Davon sollten 80.000 preisgebundene Sozialwohnungen sein (Versäumnisse beim sozialen Wohnungsbau).

Das Thema Unterkunft und Wohnung schaukelte sich bald hoch (Link auf 46437). Die Bundesbauministerin forderte vor kurzem pro Jahr eine Milliarde Euro an Bundesmitteln zusätzlich für den sozialen Wohnungsbau. Es solle verhindert werden, dass es zu Konkurrenz zwischen Einheimischen und Flüchtlingen komme. Der Bundesfinanzminister hat über diese Forderung noch nicht entschieden.

Fest steht, dass der Bund den Ländern für die Jahre 2016 bis 2019 eine Milliarde Euro für Sozialwohnungen zuschießt. Auch das ist bereits eine Erhöhung, ursprünglich waren 518 Millionen im Jahr vorgesehen.

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat die soziale Wohnraumförderung in einer aktuellen Studie auf den Prüfstand gestellt. Dabei kommt das IW, das eng mit der privaten Wirtschaft verbunden ist, zum Ergebnis, dass die Förderung "wenig treffsicher" ist.

Sozialwohnungen: Fehlbelegungsquote von 54 Prozent

Als Hauptargument führt das IW die hohe Fehlbelegungsquote der Sozialwohnungen an. Gestützt auf eine Panelbefragung aus dem Jahr 2013 konstatiert die Studie eine Fehlbelegungsquote von 54 Prozent:

Nur knapp 46 Prozent der Haushalte in Sozialwohnungen verfügen über ein Einkommen unterhalb der Armutsgrenze.

Als "Armutsgrenze" legt die Studie für das Jahr 2013 ein Einkommen von 944 Euro an. Das entspricht 60 Prozent des Median des Netto-Äquivalenzeinkommens dieses Jahres. Laut Statistikämter definiert dies die Armutsgefährdungsschwelle. Als Durchschnitts-Äquivalenzeinkommen der Haushalte in Sozialwohnungen errechnete die IW-Studie 1.043 Euro. 7,7 Prozent würden sogar über ein Einkommen oberhalb des Median verfügen.

Die hohe Fehlbelegung erklärt die Studie damit, dass viele Haushalte, die in einer Sozialwohnung leben, diese zu einer Zeit bekommen haben, als sie unterstützungsbedürftig waren. Das sei aber nur temporär der Fall gewesen. Die Haushalte hätten ihre Einkommenssituation verbessern können, "durch einen neuen Arbeitsplatz" wird von der Studie als Grund erwähnt.

Der Vergabemodus der Förderung ignoriere diese Entwicklung, so die Kritik des IW.

Die soziale Wohnraumförderung kranke daran, "dass diejenigen, die in eine Sozialwohnung einziehen wollen, nur ein einziges Mal ihre Bedürftigkeit nachweisen müssen. Ändert sich danach ihr Status - weil sie zum Beispiel einen gutbezahlten Job finden - müssen sie aus der Sozialwohnung nicht ausziehen". Die Fehlbelegungsabgabe könne dadurch entstehende Finanzierungslücken nicht ausgleichen, argumentiert die Studie:

Da es aufgrund der hohen Qualität der geförderten Wohnungen attraktiv bleibt, dort weiter zu wohnen, ist die Fehlbelegung entsprechend hoch. Dies kann, wie bereits erläutert, auch eine Fehlbelegungsabgabe kaum verhindern, da die Höhe der Abgabe in der Regel nicht ausreicht, die Kosten eines Umzugs zu übertreffen. Der Staat nimmt zwar Geld ein, der Bau von neuen Sozialwohnungen kann hiervon aber nur teilweise finanziert werden.