Slowakei rutscht nach rechts

Vorbild für Europa? Regierungsbildung kaum möglich, die gemäßigten christdemokratischen Parteien räumen den Platz für rechtsextreme und Protestparteien

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Falls auf dem EU-Gipfel tatsächlich eine Einigung mit der Türkei über die wirksame Begrenzung des Flüchtlingsstroms und eine hermetische Schließung der Balkanroute zustande kommen sollte, dürfte die deutsche Bundesregierung erst einmal aufatmen. Für die AfD, deren vorherrschendes Thema die Abwehr von Flüchtlingen ist, wäre es eine schlechte Nachricht für die anstehenden Landtagswahlen.

In der Slowakei wurde allerdings schon am Wochenende das Parlament gewählt. Das Ergebnis könnte auch für Deutschland lehrreich sein, denn die sozialdemokratische Smer-Partei, die seit 2012 unter Ministerpräsident Robert Fico die Regierung stellte, verlor drastisch und erzielte gerade noch 28,3 Prozent der Stimmen. Das sind im Parlament mit 150 Sitzen noch 49 Abgeordnete, 34 weniger als zuvor. Zwar ist sie damit weiter die stärkste Partei, muss aber eine Koalition bilden, wenn sie weiterregieren will. Die Wahlbeteiligung lag knapp unter 60 Prozent.

Gebäude des slowakischen Parlaments. Bild: Juraj Hovorka/CC-BY-SA-3.0

Lehrreich ist dies deswegen, weil sich Fico mit den anderen Visegrad-Staaten deutlich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen und für die Schließung der Grenzen ausgesprochen hat. Schon letzten Sommer hatte Fico klar gemacht, keine muslimischen Flüchtlinge ins Land lassen zu wollen. Wie andere setzte Fico auch auf die Karte, scharf die deutsche Politik unter Merkel zu kritisieren, und lehnte es ab, die Slowakei dem "Diktat" Deutschlands zu unterwerfen. Auch in den Wahlkampf zogen die Sozialdemokraten mit dem Slogan: "Wir schützen die Slowakei" und versuchten, mit der Anti-Flüchtlingspolitik an der Regierung bleiben zu können. Gerade einmal 8 Asylbewerber hat die Slowakei im ganzen Jahr 2015 aufgenommen.

Damit sind sie gescheitert, was auch insofern lehrreich ist, weil die offizielle Anti-Flüchtlingspolitik auf dem Hintergrund einer Ablehnung der EU und einer betont antideutschen Haltung die Verlust nicht verhindern konnte, dafür aber Parteien weiter rechts gestärkt hat, die im Fahrwasser der Regierungsargumentation es leichter hatten, dass ihre Überbietungen in Sachen Ausländer- und EU-Feindlichkeit akzeptiert wurden. Und gerade in der Anti-Flüchtlingspolitik, die die überwiegende Mehrheit der Slowaken unterstützt, konnte sich die Regierungspartei nicht von der Opposition unterscheiden, sondern konnte von dieser auch wegen Korruptionsskandalen und Problemen im Bildungs- und Gesundheitsbereich in dem Land gejagt werden, in dem es eine Wohlstandskluft zwischen der reichen Region um Bratislava und dem Rest gibt.

Im Juli übernimmt die Slowakei den EU-Ratsvorsitz, niemand kann nun ernsthaft damit rechnen, dass die slowakische Regierung kompromissbereiter sein wird. Eine Koalition mit der zweitstärksten Partei, der wirtschaftsliberalen, EU-kritischen SaS-Partei (Freiheit und Solidarität), die 12,1 Prozent und 21 Sitze erlangt hat, würde auch nicht zur Mehrheit reichen, eine Koalition wird von ihr sowieso ausgeschlossen. Fico müsste also weiter rechts suchen.

Der SaS-Chef und EU-Abgeordnete Richard Sulik hält die EU für handlungsunfähig und will keinen Flüchtling ins Land lassen, auch keine nicht-muslimische. Der Parteislogan "Freiheit und Solidarität" gelte nur für Slowaken, die Obergrenze für Flüchtlinge sieht er bei Null, eine Verteilung von Flüchtlingen lehnt er kategorisch ab, "weil das Volk dies nicht will". Dass Grenzen gegen Flüchtlinge auch mit Gewalt verteidigt werden, sieht er als notwendig und richtig an. Griechenland sollte sowieso aus dem Schengen-Raum und aus der Eurozone ausgeschlossen werden.

Das Parlament ist nach der Wahl noch stärker als bisher fragmentiert. Insgesamt acht Parteien sind im neuen Parlament vertreten. Zwei mehr als zuvor. Neu ins Parlament kommt die rechtextreme und auch gegen Roma rassistische "Volkspartei Unsere Slowakei" (LS-NS) mit Parteichef Marian Kotleba (8 Prozent), für die viele Erstwähler gestimmt haben sollen, und zwei vor der Wahl neu gegründete Parteien, die rechtskonservative Siet (5,6%) und der Protestpartei Sme Rodina des Unternehmers Boris Kollár (6,6%). Die rechtskonservative Slowakische Nationalpartei (SNS) zieht mit 8,6 Prozent wieder ins Parlament ein, während die christdemokratischen Parteien KDH und die SDKU an der 5-Prozent-Hürde scheiterten. Die Protestpartei OaNO erzielte 11 Prozent der Stimmen, die Partei Most-Hid, die die ungarische Minderheit vertritt, kam auf 6,5 Prozent.

Alle sind sich einig in der Anti-Flüchtlingspolitik und der EU-Skepsis oder -Ablehnung - der Beitritt zur EU war beispielsweise für Marian Kotleba "ein schwarzer Tag", eine "multikulturelle Gesellschaft" ist für ihn des Teufels, gewünscht wird die Rückkehr zur Krone und der Austritt aus der Nato. Der deutliche Ruck nach rechts, das Verschwinden der gemäßigten christdemokratischen Parteien und der Einbruch der Sozialdemokraten machen deutlich, dass der Trend Richtung nationalistischem Protest geht. Eine Regierungsbildung dürfte sehr schwierig werden. Die mit gerade einmal 12 Prozent zweitstärkste SaS-Partei will einen Regierungswechsel und könnte nicht einmal mit den 4 weniger rechten Parteien für eine "rechte Reformkoalition" eine wirkliche Mehrheit erzielen.

Gut möglich, dass keine Regierung zustande kommt oder sie so instabil ist, dass sie bald wieder zerfällt. Es stehen also vermutlich Neuwahlen an, die Frage wird sein, wie die Slowakei den EU-Ratsvorsitz einnehmen kann.