Annäherung zwischen Iran und der Türkei

Syrien: Die Türkei auf der Suche nach Unterstützung im Kampf gegen die PKK

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Überraschungsmomente gehören zum Repertoire des früheren türkischen Außenministers und jetzigen Premiers Ahmet Davutoglu. Sein Auftritt beim gestrigen EU-Gipfeltreffen zeigte dies erneut (Davutoglu spaltet den Merkel-Gipfel). In Europa weniger bemerkt wurde seine Besuchsstation vor Brüssel: Teheran, wo er sich zwei Tage lang aufhielt.

Das Bemerkenswerte am Treffen Davutoglus mit dem iranischen Präsidenten Rohani liegt darin, dass beide Länder völlig unterschiedlichen Lagern im Syrien-Krieg angehören. Iran unterstützt die syrische Regierung, die türkische Führung drängt auf einen Regimewechsel. Der engste Alliierte Ankaras ist bei diesem Ziel Saudi-Arabien, dessen Außenminister al-Jubeir aktuell insistierte, dass Assad schon zu Beginn des Übergangsprozesses seinen Posten räumen muss.

Besuch der versteckten "Schatzkammer" mit 160 Begleitern

Saudi-Arabien ist der Rivale Irans, der, wie ein von Irna veröffentlichter Artikel zur Frage, ob Iran die nächste "Nahost-Supermacht" sein wird, feststellt, das strategische Denken in Iran ziemlich beeinflusst. Durch das Nuklear-Abkommen mit den 5+1 und den Sanktionserleichterungen wachsen Iran erhebliche wirtschaftliche Möglichkeiten zu, seine Stellung auszubauen, so der Artikel der iranischen Nachrichtenagentur.

So stand auch der Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Iran und der Türkei im Mittelpunkt des Besuchs von Davutoglu und seiner 160-köpfigen Begleitung aus der Wirtschaft in Teheran. Davutoglu, kein Mann des Understatements, sprach von einem möglichen Handelsaustausch in Höhe von 30 Milliarden Dollar. Der bilaterale Handel sei wegen der Sanktionen von früher 22 Milliarden Dollar zuletzt auf 9 Milliarden zurückgegangen.

Foto: Irna

Iran sei ein "versteckter Schatz", das nächste goldene Zeitalter stehe an, wird der türkische Minister von iranischen Nachrichtenagenturen wiedergegeben. Beobachter spekulieren, dass ein gemeinsames Interesse zwischen Iran und der Türkei ein Pipelineprojekt sein könnte, das der Türkei Möglichkeiten des Exports nach Europa eröffnet. Fest steht, dass die Geschäftsbeziehungen zwischen Iran und der Türkei sich auf eine lange Tradition beziehen können und das angesichts vieler Konkurrenten, die auf die Öffnung der iranischen Märkte warten, aktuell Eile geboten ist, um mit von der Partie zu sein.

Wie aber passt die geschäftliche Zusammenarbeit zu den gänzlich unterschiedlichen Haltungen im Syrienkonflikt? Beobachter sehen in der Kurdenfrage mögliche gemeinsame Interessen. Dass Davutoglos nach dem Treffen heraushob, dass Iran und die Türkei das Ziel der "territorialen Integrität Syriens" teilen, wird als Hinweis gedeutet, dass Davutoglu versuchte, in Teheran Unterstützung in seiner Kurdenpolitik zu bekommen.

Die PPK in Iran

Tatsächlich tauchen immer wieder Nachrichten über Kämpfe zwischen den revolutionären Garden und kurdischen PJAK-Milizen im Iran auf. Da die Party of Free Life of Kurdistan (PJAK) als mit der PKK verbunden gilt und sich öfter Gefechte mit iranischen Sicherheitskräften liefert, hat die Spekulation über ein gemeinsames türkisch-iranisches Interesse gegenüber der PKK eine gewisse Tragfläche.

Die Türkei steht mit ihrem Vorgehen gegen die Kurden im Südosten ihres Landes international unter starker Kritik. Der Beschuss von PYD-Einheiten - trotz der Waffenruhe in Syrien - wird auch vom US-amerikanischen Partner nicht gutgeheißen und scharf von Russland verurteilt. Dass sich die Türkei bei Irans Führung Verständnis und Unterstützung in ihrer Kurdenpolitik holen könnte, ist zumindest theoretisch nicht auszuschließen.

Allerdings liegen die Dinge komplizierter. Wie ein al-Monitor-Artikel berichtet, kritisierte Iran in der Vergangenheit das türkische Vorgehen gegen die syrischen Kurden ebenfalls ganz deutlich: Weil dies dem IS Vorteile verschaffe. Die Rechnung, über einen gemeinsamen kurdischen PKK-Gegner im syrischen Konflikt Annäherung zu finden, ging trotz mancher Anstiftungsversuche aus Ankara nicht auf.

Zumal für Iran hier die größere Perspektive wichtiger ist - dass die syrische Regierung an der Macht bleibt. Dies zeigen auch die ersten Reaktionen der iranischen Regierung auf das Treffen. Der iranische Vizeaußenminister Amir Abdollahian soll angeblich schon kurz nach der Abreise Davutoglus iranischen Gremien gegenüber ausgesagt haben, dass die Syrienpolitik der Türkei nach wie vor auf der falschen Linie liege.