Brasilien: Größte Wirtschaft Südamerikas stürzt ab

Während in China nur das Wachstum geringer wird, versinkt der einstige Star der aufstrebenden Märkte immer tiefer in der Rezession

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Die Sorgen um die Konjunktur der Weltwirtschaft nehmen weiter zu, denn die Probleme in den Schwellenländern werden größer. Zuletzt sorgte immer wieder China mit Negativschlagzeilen für Abstürze an den Börsen weltweit. Die Lage in China wird nicht besser, die Industrieproduktion bricht weiter ein, die Überproduktion ist erheblich). Während China noch wächst, wenn auch schwächer als die Regierung gerne behauptet, darf die Lage in Brasilien schon dramatisch genannt werden. Der Gigant in Südamerika geht seit zwei Jahren in die Knie. So mussten die staatlichen Statistiker gerade verkünden, dass das Land in der schwersten Krise stecken dürfte, seit 1901 mit der Erhebung von Daten begonnen wurde.

Die Wirtschaftsdaten, die das Brasilianische Institut für Geographie und Statistik (IBGE) gerade veröffentlicht hat, waren schlecht. Sie waren sogar sehr schlecht. Denn das IBGE musste zugeben, dass die jährliche Wirtschaftsleistung des Landes im vergangenen Jahr saisonbereinigt um 3,8% eingebrochen ist. Im Vergleich zum Vorjahresquartal stürzte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sogar um 5,9% ab und damit so stark wie seit 26 Jahren nicht mehr.

Das allein wäre nicht sonderlich tragisch, befände sich das Land nicht schon seit fast zwei Jahren in der Rezession. Und die Lage wird beängstigender, da der Absturz an Fahrt aufgenommen hat. Allgemein gehen die Experten davon aus, dass die Wirtschaft auch 2016 weiter in einem gleichen oder ähnlichen Maß schrumpfen wird wie im vergangenen Jahr. Das würde bedeuten, dass die siebtgrößte Volkswirtschaft die schlimmste Krise durchmacht, seit vor 115 Jahren mit der Erhebung von Daten begonnen wurde.

Die tiefe Krise bricht ausgerechnet in dem Jahr ungeschminkt auf, in dem sich das Land mit Olympia der Welt präsentieren will. Niemand geht davon aus, dass über die Olympia-Einnahmen die abstürzende Wirtschaft abgefangen wird. Es bleiben dem Land aber die Kosten und die zusätzliche Verschuldung. die Staatsverschuldung ist auch deshalb jährlich um 10% gestiegen. Solche Werte lassen eine gefährliche Zeitbombe schon hörbar ticken.

Die Staatsverschuldung ist bis Ende 2015 auf geschätzte 70% des BIP gestiegen. Vermutlich liegt sie sogar noch darüber. Denn schrumpft die Wirtschaft so stark, verstärt nicht nur die Neuverschuldung diesen Wert. Sinkt das BIP, wird der schon bestehende Schuldenberg im Verhältnis zur Wirtschaftsleitung ganz allein deshalb größer, auch wenn kein Real oder US-Dollar an neuen Schulden aufgenommen würde. Zudem wird der Schuldendienst mit geringerer Wirtschaftsleistung zunehmend schwieriger zu leisten.

Konservativ geschätzt soll in nur drei Jahren die Verschuldung 80% des BIP betragen, meinte die Ratingagentur Moody's. Sie hat nach Fitch und Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit des Landes ebenfalls auf Ramsch-Niveau gesenkt. Das treibt, wie wir es auch aus Europa gut kennen, die Zinsen stark an. Damit belastet der Schuldendienst den Haushalt noch stärker und erhöht das Defizit zusätzlich.

Wie in China fällt auch in Brasilien die einbrechende Industrieproduktion auf. Sie ist gegenüber dem Vorjahresquartal im letzten Quartal 2015 sogar um 8% zurückgegangen. Wenig optimistisch darf man in die Zukunft blicken, wenn die produktiven Investitionen mit einem Minus von 18,5% sogar in den freien Fall übergegangen sind. Das Land wird zudem von einer Kombination aus massiver Geldentwertung und einem Auftrieb der Inflation heimgesucht. Insgesamt hat der Real gegenüber dem US-Dollar schon etwa um 60% abgewertet. Die Inflation liegt offiziell bei gut 11% und damit mehr als doppelt so hoch als die Zielvorgabe der Zentralbank mit 4,5%.

Weil sich mit der Abwertung brasilianische Produkte auf dem Weltmarkt deutlich verbilligt haben, hofft Finanzminister Nelson Barbosa darauf, dass die Exporte deutlich anziehen. Der Minister meint, die Exporte hätten sich erstmals seit 2006 wieder positiv auf das Wachstum ausgewirkt. Man fragt sich angesichts einer stark schrumpfenden Wirtschaft aber sogleich, welches Wachstum er meint. Und man fragt sich auch, wo die steigenden Exporte sind. Zwar wurde unter anderem mehr Soja, Eisenerz, Öl, Kupfer, Stahl und Kaffee exportiert, doch das hat wertmäßig keine Steigerung bedeutet. Überall sind inzwischen fallende Rohstoffpreise bekannt, allen voran extrem niedrige Ölpreise.

Barbosa hat verschwiegen, dass der Wert der Exporte im Januar im Vergleich zum Vorjahresmonat sogar um 18% eingebrochen ist. Um erneut mit China zu vergleichen, sieht die Lage auch in Brasilien bei den Importen noch dramatischer aus, denn die sind dort sogar um 39% abgestürzt. Eine positive Auswirkung haben die fallenden Exporte und abstürzenden Importe aber auf die Handelsbilanz. Die war im vergangenen Jahr erstmals wieder positiv ist, es wurde ein Überschuss von vier Milliarden Dollar verzeichnet.