Islamisten werben in der Türkei für das Kalifat

Hizb ut-Tahrir-Veranstaltung in Ankara. Bild: Hizb ut-Tahrir

Hizb ut-Tahrir in Konkurrenz zum Islamischen Staat lockte in Ankara Tausende zu einer Veranstaltung über das Kalifat

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In Ankara haben sich um die 5000 Anhänger der islamistischen Hizb ut-Tahrir in der Atatürk-Sportarena versammelt, um dem Islamischen Staat Konkurrenz zu machen. Die transnationale, panislamistische Bewegung, die sich von der Muslimbrüderschaft Anfang der 1950er Jahre abgespalten hat, strebt auch die Wiedereinführung eines Kalifats an und würde damit gegen das willkürlich ausgerufene Kalifat des Islamischen Staats antreten. Die Türkei hatte das Kalifat 1924 abgeschafft.

Der Islamische Staat ist eine transnationale islamistische Terrororganisation, die nach dem Sturz von Saddam Hussein als al-Qaida-Ableger im Irak gegründet worden war und sich nach Ausbreitung in Syrien während des Bürgerkriegs auch in andere Länder mit dem Anspruch verbreitet, ein neues Kalifat etabliert zu haben, das die globale muslimische Gemeinschaft, die Umma, unter der Führung des Kalifen vereint, der die religiöse und weltliche Macht als Nachfolger von Mohammed vereint.

Die Hizb ut-Tahrir heißt zwar übersetzt Partei der Befreiung, es geht aber vornehmlich um die "Befreiung" der Muslime weltweit vom Westen und die Einrichtung eines transnationalen Kalifats, das dem Gebot der Scharia folgt. Die Organisation ist in zahlreichen islamischen Ländern verboten, seit 2003 auch in Deutschland, weil sie zur Vernichtung Israels und zur Tötung von Juden aufgerufen habe und die Anwendung von Gewalt gutheiße. Gewaltanwendung konnte man ihr aber nicht nachweisen.

2002 konstatierte der Verfassungsschutz eine Nähe zur NPD, auf einer Veranstaltung anlässlich des Kriegs gegen den Irak nahmen Udo Voigt und Horst Mahler teil. Das waren noch die Zeiten, als die Rechtsextremen über den Antisemitismus und Antiamerikanismus mit Arabern und Türken sympathisierten. In der Zwischenzeit wird die völkisch-nationale Ideologie besser und vom Nationalsozialismus unbelasteter durch den Antiislamismus transportiert.

Seltsam ist, dass die türkische Regierung, die ansonsten auch massiv gegen Kritiker und Oppositionelle vorgeht und gerade den Journalisten Barış İnce wegen Präsidentenbeleidigung zu einer Gefängnisstrafe von 21 Monaten verurteilte, die Organisation am 6. März die Veranstaltung mit dem Titel "Internationale Kalifatskonferenz" ungehindert durchführen ließ. Erdogan strebt immerhin kein Kalifat an, unterstellt wird ihm aber, dass sein Begehren nach einer Präsidialdemokratie mitsamt dem gigantisch großen Präsidentenpalast deutlich mache, dass er eher die Vorstellung von sich als einem neuen Sultan hat.

Logo von Hizb ut-Tahrir

Wie auch immer, Hizb ut-Tahrir macht aus ihrer Kritik von Erdogan kein Hehl, der nicht islamistisch genug sei, weil er mit dem Westen kooperiert und damit eigentlich gegen die Muslime kämpft:

Allein die Bereitstellung der Incirlik Air Base als wichtigstes Drehkreuz für die militärischen Schläge des Westens gegen die Muslime in der islamischen Welt legt offen, auf wessen Seite er [Erdoğan] steht. Auch die engen Beziehungen zu Israel sprechen eine deutliche Sprache. Die Türkei ist der wichtigste Partner Israels in der islamischen Welt. Es handelt sich um Fakten, die aufzeigen, wer Erdoğan wirklich ist und inwieweit er am Kampf gegen die Muslime involviert ist.

Die Feuerpause in Syrien lehnen die Kalifatsislamisten ab, die etwa die syrischen islamistischen Gruppen Jaish Ash-Sham und Ahrar Sham unterstützen, womit sie in der Nähe der Türkei und Saudi-Arabien stehen. Damit würde die "Revolution" beendet und die "amerikanische Lösung" befördert. Die Revolution war natürlich nicht auf eine Demokratie in Syrien ausgerichtet, sondern darauf, das Wort Allahs zu befördern und nicht etwa "von Menschen gemachte Gesetze". Man kann schon ahnen, wie schwierig es in Syrien ist, die verschiedenen islamistischen bewaffneten Gruppen zu unterscheiden. Naiv ist es vermutlich, lediglich den Islamischen Staat und al-Nusra zu bekämpfen.

Schon am 3. März war auf einer internationalen Konferenz in Istanbul das Kalifat diskutiert worden. Der Vorsitzende der türkischen Sektion (Wilayah Turkey) Mahmut Kar, dass die Ungläubigen glauben würden, sie hätten das Kalifat 1924 beerdigt. Man sei aber hoffnungsvoll und begeistert: "92 Jahre nach dem 3. März 1924, als das Kalifat abgeschafft wurde, erklären wir, dass wir das Kalifat hier, genau neben dem Parlament, wieder einführen werden."