Der Parteiphilosoph der AfD, von dem Anhänger den großen Wurf erwarten

Sloterdijks Schüler ist nicht linkskonservativ wie der Meisterphilosoph, der auf Kritik beleidigt reagierte, sondern "avantgarde-konservativ"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die AfD, angeblich mehr als andere Parteien beliebt bei Akademikern und nach Anti-Euro zur Ein-Themen-Partei Anti-Migration geworden, hat auch einen Parteiphilosophen, heißt es. Es handelt sich nicht um Peter Sloterdijk oder Rüdiger Safranski, sondern um Marc Jongen, seit 2013 AfD-Mitglied, im Parteivorstand und der Programmkoordinator der AfD in Baden-Württemberg, Mitglied der Bundesprogrammkommission und knapp gescheiterter Europa-Kandidat der AfD, wurde bei Peter Sloterdijk promoviert, war ab 2003 Jahre lang dessen persönlicher Assistent, hat mit diesem Veranstaltungen wie das Seminar "Vom Ereignis zum Event" bestritten und ist weiter als Akademischer Mitarbeiter für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe tätig.

Nur für die Landtagswahl hat sich Jongen nicht aufstellen lassen, möglicherweise will er gleich bei den nächsten Wahlen in den Bundestag einziehen und das Regionale hinter sich lassen. In Baden-Württemberg kann die AfD nach Umfragen mit mehr als 10 Prozent rechnen.

Sloterdijks Kritiker in "primärer Beißwut" mit "digitalem Speichel"

An der Hochschule freuen sich nicht alle über das Erbe des ehemaligen Direktors Sloterdijk, der seine Nähe zum AfD-Gedankengut mitsamt Verschwörungstheorie erst kürzlich in einem Gespräch mit Cicero geoutet hat (Philosoph Sloterdijk lobt Grenze und Nationalstaat). Auf die Reaktionen hat er eher beleidigt reagiert, den Kritikern vorgeworfen, als "dressierte Kulturteilnehmer" nur Speichel, auch "digitalen Speichel", wie der Pawlowsche Hund fließen zu lassen, in "primärer Beißwut" zu handeln, "absichtlich schlecht" zu lesen, weil nur so offenbar die Worte des Philosophen missverstanden werden können, und es überhaupt an Nuanciertheit wie er selbst fehlen zu lassen (Peter Sloterdijk: Primitive Reflexe, Die Zeit, S. 39-40, 3. März 2016).

Unter Nuanciertheit à la Sloterdijk sind dann wohl solche ironiefreien Äußerungen zu verstehen, mit denen er Kritiker seines Freundes Safranski durch Pathologisierung klein zu machen sucht: "Dass sein Name jetzt von Krankheitsgewinnlern für eine Agitation gegen einen Autor, der ihr Therapeut hätte sein können, mobilisiert werden soll, kann man nur als Verkehrung ansehen." Der Autor kann deswegen nicht als "Stimmungsmacher für rechtslastige Agitationen" gelten, weil Sloterdijk "keinen großherzigeren, menschenfreundlicheren und integrativeren Geist kennengelernt hat". Seinen mittlerweile medialen Konkurrenten Richard David Precht nennt der Philosoph nicht einmal beim Namen, die Würde erfährt nur Herfried Münkler, über den selbst Sloterdijk wegen dessen Bekanntheit nicht nebenbei hinweggehen will, ihn aber als Oberlehrer doch "Ungezogenheiten" und "vorkulturelle Reflexe" vorwirft. Nuancenreich und völlig ohne digitalen Speichel liest man über diesen, der es auch gewagt hatte, Sloterdijk zu nahe zu treten: "Der Fall hat eine aparte Seite, da Münkler kein kleiner Kläffer ist, wie ein Philosophie-Journalist aus der Narren-Hochburg Köln, der offensichtlich immer noch nicht weiß, wer und wie viele er ist."

Übertreibungen und Zuspitzungen stehen wohl dem Philosophen, der sich als Linkskonservativen verstanden wissen will, nicht aber seinen Kritikern zu, die keinen Diskurs nach den Vorgaben des Meisterdenkers pflegen wollen. Dabei sprach er Politikern und Journalisten zu, generell nicht die Wahrheit zu sagen, offenbar auch Politologen und andere Akademiker eingeschlossen, sofern sie nicht auf seiner Seite stehen. Münkler wirft Sloterdijk vor, in Selbstsuggestionen zu leben, in "autohypnotischen" Blasen. Nur so kann Sloterdijk offenbar verstehen, dass andere "nicht den rechten Weg erkennen", den er seinen Zeitgenossen weist.